Es gab diesen einen Moment, der mir bewusst gemacht hat, wie sehr wir als Eltern die Welt unserer Kinder prägen. Meine Tochter stand vor mir, ihr Gesicht war von Unsicherheit gezeichnet, während sie versuchte, eine schwierige Matheaufgabe zu lösen. „Ich kann das nicht“, flüsterte sie, fast schon resigniert. In diesem Moment wurde mir klar: Sie hatte nicht nur Angst vor der Aufgabe, sondern auch vor dem Scheitern – vor dem Gefühl, nicht gut genug zu sein. Und das hat mich tief getroffen.
Die unsichtbare Last des Perfektionsdrucks
Ich begann, mich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen, und stieß auf die Ergebnisse der LEGO-Umfrage, die mich schockierten. Vier von fünf Mädchen leiden unter einem enormen Perfektionsdruck, der sie daran hindert, frei und unbeschwert aufzuwachsen. Die Zahlen sind erschreckend: 61.532 Eltern, Erwachsene und Kinder aus 36 Ländern bestätigen, dass stereotype Rollenbilder und Sprache das Selbstvertrauen von Mädchen massiv beeinflussen. Diese Erkenntnis hat mich dazu gebracht, mein eigenes Verhalten zu hinterfragen. Wie oft hatte ich unbewusst bestimmte Erwartungen an meine Tochter gestellt? Wie oft hatte ich ihr signalisiert, dass sie „perfekt“ sein muss, um Anerkennung zu bekommen?
„Unsere Worte und Taten formen die innere Stimme unserer Kinder – wir müssen darauf achten, dass sie stärkend und ermutigend ist.“
Sprache als Schlüssel zur Stärkung
Mir wurde klar, dass Sprache eine immense Macht hat. Was wir unseren Kindern immer wieder sagen, wird irgendwann zu ihrer inneren Stimme. Ich erinnerte mich daran, wie oft ich Sätze wie „Sei vorsichtig“ oder „Pass auf“ gesagt hatte – ohne zu merken, dass ich damit unbewusst Ängste schürte. Seitdem versuche ich, bewusster zu formulieren. Statt „Das ist zu schwer für dich“ sage ich nun „Das ist eine Herausforderung, aber ich weiß, dass du das schaffen kannst“. Diese kleinen Veränderungen haben einen großen Einfluss auf das Selbstbewusstsein meiner Tochter. Sie traut sich mehr zu und geht mutiger an neue Aufgaben heran.
„Es geht nicht darum, Fehler zu vermeiden, sondern darum, aus ihnen zu lernen und gestärkt daraus hervorzugehen.“
Vorbild sein – im Kleinen wie im Großen
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, wie wir als Eltern vorgelebte Rollenbilder vermitteln. Ich habe begonnen, mir selbst öfter Fehler einzugestehen und offen darüber zu sprechen. Wenn ich etwas falsch mache, sage ich meiner Tochter: „Ich habe einen Fehler gemacht, aber das ist okay. Ich lerne daraus.“ Diese Ehrlichkeit zeigt ihr, dass Fehler menschlich sind und nicht das Ende der Welt bedeuten. Auch im Alltag achte ich darauf, wie ich mit Konflikten umgehe und für mich selbst einstehe. Denn ich möchte, dass meine Tochter sieht, dass es in Ordnung ist, Grenzen zu setzen und für seine Überzeugungen einzustehen.
Es ist ein Prozess, der Zeit und Geduld erfordert, aber die Veränderungen, die ich bei meiner Tochter beobachte, sind es wert. Sie ist mutiger geworden, traut sich mehr zu und hat gelernt, dass sie nicht perfekt sein muss, um geliebt und akzeptiert zu werden. Und das ist das größte Geschenk, das ich ihr mit auf den Weg geben kann.