Illustration einer eleganten Mutter mit ihrem Kind, die sich an den Händen halten, in einem modernen, retro-stilisierten Design mit pastellfarbenem Hintergrund.
Elegante Mutter und Kind in einem modernen, retro-stilisierten Design.

Die Unterhaltsreform: Wenn Väter belohnt und Mütter bestraft werden

Der Kampf ums Kindeswohl oder ums Portemonnaie?

Es sollte ein großer Wurf werden: Die Reform des Unterhaltsrechts, angestoßen von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), versprach mehr Gerechtigkeit für alle Beteiligten. Doch während die Tinte auf dem Eckpunktepapier noch nicht trocken ist, regt sich bereits massiver Widerstand. Besonders die 2,27 Millionen alleinerziehenden Frauen in Deutschland sehen in den Plänen keine Verbesserung, sondern eine weitere Verschärfung ihrer ohnehin prekären Situation. ´Väter werden für die Care-Arbeit bezahlt, Mütter bleiben drauf sitzen´ – dieser Vorwurf hallt durch die Debatten und trifft den Kern des Problems. Was zunächst nach einem ausgewogenen Ansatz klingt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als einseitige Entlastung der Unterhaltspflichtigen – in den meisten Fällen der Väter – während die Hauptlast der Kinderbetreuung weiterhin bei den Müttern liegt, nun aber mit weniger finanzieller Unterstützung.

Ich habe mich mit betroffenen Alleinerziehenden unterhalten und ihre Geschichten angehört. Da ist Lisa, 37, alleinerziehende Mutter zweier Kinder, die seit der Trennung vor drei Jahren keinen Cent Unterhalt vom Ex-Partner gesehen hat. Oder Melanie, 42, deren Ex-Mann nun ankündigt, genau jene 30 Prozent Betreuungszeit zu übernehmen, die ihm eine Unterhaltsreduktion ermöglichen würden – nicht etwa, weil er mehr Zeit mit seinem Kind verbringen möchte, sondern weil er dadurch mehrere hundert Euro im Monat sparen kann. Die Realität hinter den nüchternen Zahlen und Prozenten ist eine emotionale Achterbahnfahrt, bei der am Ende oft die Kinder auf der Strecke bleiben.

Die Unterhaltsreform: Worum geht es eigentlich?

Wenn Eltern sich trennen, leben die meisten Kinder (80 Prozent) in Deutschland dauerhaft bei der Mutter (2,4 Millionen), weniger beim Vater (580.000). Dieses sogenannte Residenzmodell funktioniert nach dem Grundsatz ´Eine:r betreut, eine:r zahlt´. Die Höhe des Unterhalts orientiert sich an der Düsseldorfer Tabelle, während der zahlende Elternteil das Kind typischerweise jedes zweite Wochenende, die Hälfte der Ferien und manchmal einen Tag unter der Woche betreut.

Bundesjustizminister Buschmann möchte nun mit seiner Reform vor allem jene Elternteile entlasten – überwiegend Väter –, die ´erhöhte Betreuungsleistungen´ erbringen. Konkret geht es um das asymmetrische Wechselmodell, bei dem das Kind zwar überwiegend (mehr als 50 Prozent) bei einem Elternteil lebt, aber der andere Elternteil regelmäßig und zu mindestens 30 Prozent der Nächte im Jahr das Kind betreut. Bislang steht dem Elternteil, bei dem das Kind hauptsächlich lebt, der volle Unterhaltssatz zu – unabhängig davon, ob der andere sich zu 40 Prozent kümmert oder gar nicht.

Nach Buschmanns Plänen soll der Unterhalt künftig proportional zur Betreuungszeit reduziert werden. Gleichzeitig soll die Reform ´Erwerbsanreize´ für die meist weiblichen Hauptbetreuenden schaffen. Der Minister betont, es handle sich nicht um ein ´Mütter- oder Väter-Gesetz´, sondern um ein ´Familiengesetz´. Eine wohlklingende Formulierung, die bei näherer Betrachtung jedoch zahlreiche Probleme offenbart.

Die Realität hinter den schönen Worten

Der Teufel steckt im Detail – und die Details der Reform ignorieren die Lebensrealität vieler Alleinerziehender. Silke Wildner und Sina Wollgramm, beide seit Jahren alleinerziehend und Hosts des Podcasts ´Das AE-Team – der positive Podcast für Alleinerziehende´, haben im Gespräch mit ELTERN.de die Schwachstellen der Reform schonungslos offengelegt. Was auf dem Papier nach mehr Gerechtigkeit aussieht, könnte in der Praxis zu einer weiteren finanziellen und emotionalen Belastung für Alleinerziehende werden.

Ein besonders kritischer Punkt: Buschmanns Reform verbucht bereits das klassische Residenzmodell mit Wochenendbesuchen als ´erhöhte Mitbetreuung´, obwohl genau diese Betreuungszeit bereits in der Düsseldorfer Tabelle berücksichtigt ist. ´Worüber im Gegenzug aber überhaupt nicht gesprochen wird, ist über die Frauen, die ihre Kinder zu 80, 90 oder 100 Prozent alleine betreuen und dafür keine Zusatzzahlungen erhalten, denn das wäre ja die logische Konsequenz´, kritisiert Silke Wildner. Die Frage liegt auf der Hand: Wenn Väter für mehr Betreuung finanziell entlastet werden, warum werden Mütter, die noch mehr als den ´Standardanteil´ leisten, nicht zusätzlich unterstützt?

Die geplante Unterhaltsreform belohnt Väter finanziell für Betreuungsarbeit, die für Mütter als selbstverständlich vorausgesetzt wird, während sie gleichzeitig die prekäre wirtschaftliche Situation von Alleinerziehenden verschärft, statt echte strukturelle Unterstützung zu bieten.

Die Care-Arbeit-Debatte: Wann wird Fürsorge zum bezahlten Job?

Die Kritik an Buschmanns Reform geht weit über technische Details hinaus und berührt grundlegende gesellschaftliche Fragen zur Bewertung von Care-Arbeit. Während die Betreuungsleistung von Vätern durch Unterhaltsreduktionen quasi ´vergütet´ werden soll, wird die oft deutlich umfangreichere Care-Arbeit von Müttern als selbstverständlich vorausgesetzt – ohne entsprechende finanzielle Anerkennung.

Dieses Ungleichgewicht spiegelt eine tiefere gesellschaftliche Problematik wider. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) leisten Frauen in Deutschland durchschnittlich 52,4 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer, selbst wenn beide Partner berufstätig sind. Nach einer Trennung verschärft sich diese Ungleichheit oft noch. Eine Untersuchung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) zeigt, dass alleinerziehende Mütter im Schnitt 61 Stunden pro Woche für Kinderbetreuung, Haushalt und Erwerbsarbeit aufwenden – deutlich mehr als der Durchschnitt in Paarfamilien.

Die Reform ignoriert diese Realität und setzt falsche Anreize. ´Wenn man also Väter finanziell entlastet, Mütter aber nicht, stellt das eine Bezahlung der Care-Arbeit des Mannes dar. Da fragt man sich als Frau: Wie viel Unterhalt müsste ich eigentlich bekommen, wenn meine ganze Care-Arbeit da abgebildet werden soll?´, bringt Sina Wollgramm das Problem auf den Punkt. Anstatt Care-Arbeit grundsätzlich aufzuwerten und gerechter zu verteilen, zementiert die Reform bestehende Ungleichheiten und schafft neue Probleme.

Expert:innen wie die Soziologin Dr. Christina Boll vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung weisen darauf hin, dass eine echte Reform des Unterhaltsrechts die gesamte Care-Arbeit-Debatte berücksichtigen müsste: ´Eine Unterhaltsreform, die nur auf die Betreuungszeiten schaut, aber die Qualität der Betreuung, den Organisationsaufwand und die langfristigen Karrierenachteile durch Sorgearbeit ignoriert, greift zu kurz.´ (Quelle: DIW Wochenbericht)

Konflikte vorprogrammiert: Wenn Betreuungszeiten zum Streitthema werden

Während Marco Buschmann von mehr Fairness spricht, befürchten Betroffene und Expert:innen, dass die Reform zu mehr Konflikten zwischen getrennten Eltern führen könnte. Statt das Kindeswohl in den Mittelpunkt zu stellen, droht die genaue Berechnung von Betreuungszeiten zum zentralen Streitpunkt zu werden. Wie soll nachgewiesen werden, dass ein Kind tatsächlich die angegebene Zeit beim anderen Elternteil verbracht hat? Müssen künftig detaillierte Protokolle geführt werden? Und was passiert, wenn Betreuungszeiten kurzfristig ausfallen oder verschoben werden müssen?

Aus Communitys für Alleinerziehende berichten Betroffene bereits jetzt von Vätern, die ankündigen, ihre Betreuungszeit strategisch auf genau jenen Prozentsatz zu erhöhen, der zu einer Unterhaltsreduktion führt – nicht aus Interesse am Kind, sondern aus finanziellen Motiven. ´In unserer Community hören wir immer wieder von Fällen, wo Kinder während der ‚Papawochenenden‘ vor dem Fernseher geparkt werden oder die Großeltern einspringen müssen, während der Vater anderen Aktivitäten nachgeht´, berichtet Silke Wildner. ´Es geht dann nicht mehr um echte Beziehungszeit mit dem Kind, sondern nur noch ums Abhaken von Betreuungsstunden.´

Besonders beunruhigend: Laut dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) verzichten bereits heute mehr als ein Drittel der Alleinerziehenden (35 Prozent) freiwillig auf Unterhaltszahlungen, um das Verhältnis zum anderen Elternteil nicht zu belasten – vor allem dem Kind zuliebe. Die Reform könnte diesen Druck noch verstärken und zu einer Art ´Erpressungssituation´ führen, in der Unterhaltspflichtige mit der Drohung, ein symmetrisches Wechselmodell einzufordern, Druck ausüben können.

Die Armutsfalle verschärft sich

Die wirtschaftliche Situation von Alleinerziehenden in Deutschland ist bereits jetzt prekär. Etwa die Hälfte aller Alleinerziehenden erhält aktuell laut dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) keinen Cent Unterhalt vom anderen Elternteil. Weitere 25 Prozent bekommen weniger, als ihnen eigentlich zusteht. Diese erschreckenden Zahlen zeigen: Die Reform greift nur für jene Minderheit der Väter, die überhaupt Unterhalt zahlen.

Dabei ist Kinderarmut in Deutschland eng mit Alleinerziehenden-Haushalten verknüpft. Laut Statistischem Bundesamt sind 43 Prozent der Alleinerziehenden-Haushalte armutsgefährdet – mehr als doppelt so viele wie im Bevölkerungsdurchschnitt. Jedes zweite Kind, das in Deutschland in Armut lebt, wächst bei einer alleinerziehenden Mutter auf. Die Bundesagentur für Arbeit verzeichnet zudem, dass fast jede fünfte alleinerziehende Mutter (18,7 Prozent) trotz Erwerbstätigkeit auf ergänzende Grundsicherung angewiesen ist – ein deutliches Zeichen für strukturelle Probleme, die weit über individuelle Unterhaltszahlungen hinausgehen.

Der Vorschlag, dass Mütter in der durch die väterliche Mitbetreuung ´gewonnenen Freizeit´ mehr arbeiten könnten, wirkt vor diesem Hintergrund fast zynisch. Beinahe die Hälfte (46 Prozent) der Alleinerziehenden arbeitet bereits Vollzeit – und ist dennoch überproportional von Armut betroffen. Die strukturellen Hürden, mit denen Alleinerziehende kämpfen – fehlende Kinderbetreuungsangebote, unflexible Arbeitszeiten, geringere Löhne in typischen ´Frauenberufen´ – werden durch eine Unterhaltsreform nicht beseitigt.

Der Mythos vom nicht-zahlungsfähigen Vater

Ein häufig vorgebrachtes Argument für die niedrige Zahlungsquote bei Unterhaltsverpflichtungen ist die angeblich mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit der Väter. Doch Studien zeichnen ein anderes Bild: Das ifo-Institut in München hat bereits 2018 für den MDR berechnet, dass 70 bis 80 Prozent der geschiedenen Männer so viel verdienen, dass sie eigentlich Unterhalt für ihre Kinder zahlen könnten.

Der Finanzwissenschaftler Andreas Peichl vermutet daher, dass sich einige Väter ´auf dem Papier ärmer rechnen, als sie sind´. Durch Selbstständigkeit, Schwarzarbeit oder geschickte Vermögensverschiebungen können Unterhaltspflichtige ihr offizielles Einkommen reduzieren und sich so ihrer Verantwortung entziehen. Die geplante Reform adressiert dieses Problem nicht – im Gegenteil, sie schafft neue Möglichkeiten, Unterhaltszahlungen legal zu reduzieren.

Doppelte Belastung: Weniger Geld für alle?

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Reform könnte unterm Strich zu einer finanziellen Verschlechterung für alle Beteiligten führen. Denn auch ein 60:40-Betreuungsmodell bedeutet für den bisher nicht hauptbetreuenden Elternteil zusätzliche Kosten: Ein eigenes Kinderzimmer muss eingerichtet werden, mehr Kleidung und Spielzeug angeschafft, möglicherweise muss eine größere Wohnung gemietet werden.

Gleichzeitig reduzieren sich die Fixkosten für den hauptbetreuenden Elternteil kaum – die Wohnung muss weiterhin groß genug sein, Versicherungen laufen weiter, und viele Anschaffungen müssen trotzdem getätigt werden. Bei reduzierten Unterhaltszahlungen entsteht so eine Situation, in der beide Elternteile finanziell schlechter dastehen als zuvor – mit dem Unterschied, dass der hauptbetreuende Elternteil, meist die Mutter, in der Regel über weniger Einkommen verfügt und daher von Einbußen härter getroffen wird.

Erwerbsanreize oder Verhöhnung? Die Realität alleinerziehender Mütter

Besonders zynisch wirkt der im Eckpunktepapier genannte ´Erwerbsanreiz´ für hauptbetreuende Elternteile. Buschmann suggeriert, dass Mütter in der Zeit, in der der Vater das Kind betreut, mehr arbeiten und so ihr Einkommen steigern könnten. Diese Vorstellung ignoriert die komplexe Realität alleinerziehender Mütter vollständig.

Fast die Hälfte der Alleinerziehenden arbeitet bereits Vollzeit, viele weitere in Teilzeit mit möglichst vielen Stunden. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für sie ein täglicher Balanceakt, erschwert durch mangelnde Betreuungsangebote, unflexible Arbeitszeiten und fehlende Unterstützungsnetzwerke. Der Vorschlag, ´einfach mehr zu arbeiten´, verkennt diese strukturellen Hürden und unterstellt indirekt, Alleinerziehende würden sich auf Unterhaltszahlungen ´ausruhen´ – eine Unterstellung, die angesichts der Tatsache, dass nur 25 Prozent der Väter überhaupt Unterhalt zahlen, besonders absurd wirkt.

Zudem bleibt unklar, wie Alleinerziehende spontan ihre Arbeitszeit erhöhen sollen, nur weil das Kind nun drei statt zwei Nächte beim Vater verbringt. Arbeitsverträge, Betreuungsplätze und berufliche Qualifikationen lassen sich nicht so flexibel anpassen, wie das Reformpapier suggeriert. Und selbst wenn – die strukturelle Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere von Müttern, führt dazu, dass selbst bei mehr Arbeitsstunden das zusätzliche Einkommen die Unterhaltsreduktion oft nicht ausgleichen kann.

Kindeswohl als Lippenbekenntnis?

In der gesamten Debatte um die Unterhaltsreform wird das Kindeswohl zwar oft beschworen, scheint aber in der Praxis hinter finanziellen Erwägungen zurückzustehen. Dabei sollte gerade bei Trennungsfamilien das Wohl der Kinder an erster Stelle stehen.

Jede Form des Wechselmodells erfordert eine funktionierende Kommunikation zwischen den Eltern. Es müssen Absprachen getroffen werden zu Schule, Freizeitaktivitäten, Arztbesuchen und vielem mehr. Häufige Wechsel zwischen zwei Haushalten können für Kinder belastend sein, besonders wenn sie noch sehr jung sind oder wenn zwischen den Eltern ein angespanntes Verhältnis herrscht. Die Reform berücksichtigt diese Faktoren kaum und setzt stattdessen Anreize, die zu mehr Konflikten führen könnten.

Besorgniserregend ist auch, dass die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder selbst in der Debatte kaum Gehör finden. Wie viel Mitspracherecht haben Kinder, wenn es darum geht, wo und wie oft sie übernachten? Studien zeigen, dass für Kinder Stabilität und emotionale Sicherheit wichtiger sind als mathematisch gerechte Zeitaufteilungen. Die Kinderpsychologin Prof. Dr. Sabine Walper vom Deutschen Jugendinstitut betont: ´Für Kinder ist nicht die exakte Zeitaufteilung entscheidend, sondern die Qualität der Beziehung zu beiden Elternteilen und ein konfliktarmes Umfeld.´ (Quelle: DJI Themenportal)

Was wirklich helfen würde: Sinnvolle Alternativen zur Reform

Wenn man mit Betroffenen spricht und ihre Lebensrealität ernst nimmt, wird schnell klar, dass die geplante Reform an den tatsächlichen Bedürfnissen von Trennungsfamilien und insbesondere von Alleinerziehenden vorbeigeht. Silke Wildner und Sina Wollgramm haben konkrete Vorschläge, wie eine echte Verbesserung aussehen könnte:

Sinnvolle Vorschläge: Das sollte sich ändern

  • Unterhalt muss konsequent durchgesetzt werden. Wer zahlen kann, muss zahlen – ohne Schlupflöcher. Die Beweislast sollte umgekehrt werden: Nicht die Alleinerziehenden sollten nachweisen müssen, dass der andere Elternteil zahlen kann, sondern der Unterhaltspflichtige müsste belegen, warum er nicht zahlen kann.
  • Der Unterhaltsvorschuss sollte in voller Höhe des Mindestunterhalts gezahlt werden, nicht wie bisher deutlich darunter.
  • Die Reform sollte bei intakten Familien ansetzen: Das Ehegattensplitting sollte abgeschafft werden, da es die traditionelle Rollenverteilung fördert.
  • Die Kinderbetreuungsinfrastruktur muss massiv ausgebaut werden, um Alleinerziehenden tatsächlich zu ermöglichen, mehr zu arbeiten.
  • Es braucht mehr Flexibilität in der Arbeitswelt, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können.

Auch Daniela Jaspers, Bundesvorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV), fordert einen grundlegenderen Ansatz: ´Die Reform muss sich an der Lebensrealität von Familien orientieren, statt an einem Leitbild von Gleichstellung, das meistens vor einer Trennung gar nicht gelebt wurde. Sonst sieht der VAMV eine große Gefahr für den weiteren Anstieg der Armutsgefährdung von Einelternfamilien.´

Eine echte Reform müsste bei den strukturellen Ursachen ansetzen, die dazu führen, dass alleinerziehende Mütter überproportional von Armut betroffen sind: ungleiche Verteilung von Care-Arbeit bereits in intakten Familien, Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen, mangelnde Betreuungsangebote und fehlende Flexibilität in der Arbeitswelt.

Fazit: Eine Reform, die mehr Probleme schafft als löst

Die von Marco Buschmann geplante Unterhaltsreform mag gut gemeint sein, geht aber an der Lebensrealität von Alleinerziehenden und ihren Kindern vorbei. Statt die strukturellen Probleme anzugehen, die zu Kinderarmut und Überlastung von alleinerziehenden Müttern führen, schafft sie neue Konfliktherde und finanzielle Risiken.

Besonders problematisch ist die implizite Botschaft: Während die Care-Arbeit von Vätern durch Unterhaltsreduktionen finanziell honoriert werden soll, wird die oft umfangreichere Betreuungsleistung von Müttern als selbstverständlich vorausgesetzt. Väter werden für das gefeiert und belohnt, was von Müttern erwartet wird – ein klassisches Beispiel für die unterschiedlichen Maßstäbe, die an Männer und Frauen in der Elternrolle angelegt werden.

Eine wirklich faire Reform müsste die Lebenswirklichkeit aller Beteiligten berücksichtigen und vor allem das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellen. Sie müsste sicherstellen, dass Kinder nach einer Trennung finanziell abgesichert sind und beide Elternteile ihrer Verantwortung gerecht werden – emotional und finanziell. Die aktuelle Reform leistet all das nicht. Sie ist, mit den Worten einer betroffenen Mutter, ´ein Schlag ins Gesicht für alle, die tagtäglich den Spagat zwischen Beruf und Kinderbetreuung meistern, oft ohne jede Unterstützung vom Ex-Partner´.

Die Debatte um die Unterhaltsreform zeigt einmal mehr, wie weit wir noch von echter Gleichberechtigung in der Elternschaft entfernt sind. Solange Care-Arbeit unterschiedlich bewertet wird, je nachdem, ob sie von Müttern oder Vätern geleistet wird, können Reformen wie diese keine echte Gerechtigkeit schaffen – sie zementieren nur bestehende Ungleichheiten.