Die Dunkelheit des Kinderzimmers senkt sich wie ein Vorhang über den Tag. Draußen flüstert die Nacht, doch drinnen herrscht angespannte Stille. Eine Stille, die von einem kleinen Körper auf der Matratze und einem großen Geist daneben gefüllt wird. Ein Geist, der eigentlich zur Ruhe kommen sollte, der sich nach Entspannung sehnt, aber stattdessen mit einer aufkeimenden Wut kämpft. Kennen Sie das, liebe Mütter? Dieses Gefühl, wenn die abendliche Einschlafbegleitung zur Zerreißprobe wird?
Wenn Geduld zur Zerreißprobe wird
Zwanzig Minuten sind schnell vergangen, eine halbe Stunde ist noch im Rahmen. Doch wenn die Zeiger der Uhr unaufhaltsam weiterwandern und sich die Zeit im dunklen Kinderzimmer endlos dehnt, dann meldet sich dieses unangenehme Gefühl. Die Muskeln verspannen sich, der Atem wird schneller, und innerlich schreit es: „Schlaf doch endlich!“ Ein Kampf beginnt, der sich zwischen mütterlicher Fürsorge und purer Erschöpfung abspielt. Man redet sich gut zu. Beschwichtigt sich selbst. „Gleich schläft es bestimmt ein. Genieße die Nähe, bald wollen sie das nicht mehr.“ Doch die innere Stimme wird lauter, ungeduldiger. Und dann, beim nächsten Räuspern oder Wälzen, droht die Situation zu eskalieren.
Geborgenheit und Wut: Wenn die Einschlafbegleitung zur Zerreißprobe wird.
Lesen, Kuscheln, Explodieren – Ein Teufelskreis?
Es ist ein Paradox: Da verbringen Eltern Stunden am Bett ihrer Kinder, lesen Geschichten vor, kuscheln und halten Händchen. Sie wollen Geborgenheit schenken und den Kleinen einen sanften Übergang in die Welt der Träume ermöglichen. Doch je länger dieser Prozess dauert, desto größer wird die Gefahr, dass die Situation kippt. Ungeduld macht sich breit, genervte Kommentare fallen, und im schlimmsten Fall drohen Tränen – auf beiden Seiten. Und danach? Bleibt ein schlechtes Gewissen, das nagende Gefühl, dem Kind Unrecht getan zu haben. Denn eigentlich wollten wir doch nur liebevoll begleiten.
Außenstehende, besonders jene ohne Kinder, mögen dieses Phänomen kaum nachvollziehen können. Wie kann man bei einer eigentlich harmonischen Aktivität wie dem Einschlafbegleiten die Beherrschung verlieren? Was da in uns hochkocht, ist mehr als nur der Wunsch nach ein paar Stunden Ruhe. Es ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die sich im Laufe des Tages aufgestaut haben.
Die Wurzeln der (Nicht-)Einschlafwut
Warum also verwandeln sich liebevolle Eltern manchmal in kleine Rumpelstilzchen am Kinderbett? Nach jahrelanger Erfahrung im „Einschlafbusiness“ lässt sich sagen, dass es selten nur an der Situation selbst liegt. Oft ist es ein ganzes Bündel an Gründen, das die Zündschnur zum Glühen bringt:
- Der volle Tag: Hinter jeder eskalierenden Einschlafbegleitung steckt ein langer Tag voller Verpflichtungen, Emotionen und Entscheidungen. Ein Tag, an dem wir uns unzählige Male zurückgenommen, geduldig erklärt und versucht haben, allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Wenn wir dann erschöpft am Kinderbett sitzen, ist der Akku oft leer.
- Besondere Umstände: Schlafschwierigkeiten treten oft in Phasen auf, in denen ohnehin schon viel los ist. Ob es die Eingewöhnung in der Kita ist, ein Umzug oder andere Veränderungen – solche Umbrüche können die ohnehin schon angespannte Situation zusätzlich verschärfen.
- Der Umschaltprozess: Solange alle im „Wachmodus“ sind, funktioniert das Familienleben meist reibungslos. Doch sobald es ans Runterfahren geht, wird die Diskrepanz zwischen den eigenen Bedürfnissen und den Anforderungen des Kindes schmerzlich bewusst. Während wir uns nach Ruhe sehnen, sind die Kleinen noch voller Energie.
- Die verlorene Zeit: Für Eltern, die ständig „on“ sind, ist eine Stunde im dunklen Kinderzimmer gefühlt eine Ewigkeit. Eine Stunde, in der man nichts Produktives erledigen kann. Eine Stunde, die sich wie verschwendete Zeit anfühlt.
Und dann ist da noch die Ungewissheit. Dieses Gefühl, dass es jeden Moment so weit sein könnte. Dass das Kind gleich einschläft und man endlich aufstehen und den Abend für sich nutzen kann. Doch je länger man wartet, desto größer wird die Anspannung. Und jedes weitere Aufdrehen oder Husten lässt die Wut weiter ansteigen.
„Die Kunst ist, die kleinen Momente der Geduld zu bewahren, um die großen Momente der Liebe nicht zu verlieren.“
Hinzu kommt, dass wir in der Stille und Dunkelheit besonders empfindlich für bestimmte Reize sind. Das leise Knibbeln am Kuscheltier, das Schmatzen des Schnullers – all das kann zur unerträglichen Belastung werden. Und vielleicht meldet sich auch noch das eigene innere Kind zu Wort, das vielleicht selbst keine liebevolle Einschlafbegleitung erfahren hat. All diese Faktoren können dazu führen, dass die friedvolle Schlummerstunde zur emotionalen Achterbahnfahrt wird.
Was tun, wenn die Wut kommt?
Die gute Nachricht ist: Es gibt Wege, mit der (Nicht-)Einschlafwut umzugehen. Der erste Schritt ist, sich bewusst zu machen, woher das Gefühl kommt. Wenn wir die Ursachen kennen, können wir besser damit umgehen. Hier sind einige Strategien, die helfen können:
- Achtsamkeit: Versuchen Sie, den Moment bewusst wahrzunehmen, ohne zu urteilen. Akzeptieren Sie, dass es gerade so ist, wie es ist.
- Positive Umdeutung: Betrachten Sie die Einschlafbegleitung als wertvolle Zeit der Nähe und Geborgenheit. Erinnern Sie sich daran, wie schnell die Kinder groß werden und diese Momente vorbei sind.
- Entspannungstechniken: Nutzen Sie die Zeit, um sich selbst zu entspannen. Hören Sie Musik, ein Hörbuch oder eine Meditation.
- Abwechslung: Wenn möglich, wechseln Sie sich mit dem Partner ab. Frische Energie kann Wunder wirken.
Manche Eltern lesen im Dämmerlicht ein Buch oder hören über Kopfhörer einen Podcast, während sie Händchen halten. Andere nutzen unauffälligere Methoden, um längere Einschlafzeiten ins Positive zu kehren. Entscheidend ist, eine Strategie zu finden, die für Sie und Ihr Kind funktioniert.
Und wenn gar nichts mehr hilft? Dann ist es in Ordnung, sich kurz aus der Situation zu nehmen. Gehen Sie kurz vor die Tür, atmen Sie tief durch oder springen Sie kurz unter die Dusche. Manchmal hilft es schon, den Raum kurz zu verlassen, um die eigenen Emotionen zu regulieren.
Fazit: Die Kunst der liebevollen Geduld
Die Einschlafbegleitung kann eine wunderbare Zeit der Nähe und Geborgenheit sein – aber eben auch eine Herausforderung. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass die (Nicht-)Einschlafwut ein normales Gefühl ist, das viele Eltern kennen. Schämen Sie sich nicht dafür. Akzeptieren Sie Ihre Gefühle und suchen Sie nach Wegen, damit umzugehen. Und denken Sie daran: Auch wenn es manchmal schwerfällt, ist es wichtig, die Geduld zu bewahren. Denn am Ende zählt die Liebe, die wir unseren Kindern geben.
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