Es ist ein stiller Kampf, den viele Mütter kennen: Der Spagat zwischen dem Wunsch, eine liebevolle und verständnisvolle Mutter zu sein, und den eigenen Prägungen, die oft aus einer Erziehung stammen, in der Fehler als Schwäche galten. Stell dir vor, du stehst in der Küche, das Abendessen köchelt auf dem Herd, während du gleichzeitig versuchst, deinem Kind bei den Hausaufgaben zu helfen und die E-Mails für den morgigen Tag zu checken. Plötzlich kippt dein Kind ein Glas Saft um. In einem Anflug von Stress und Überforderung schnappst du dein Kind an. Später, wenn die Aufregung sich gelegt hat, spürst du ein tiefes Bedauern. Aber wie bringst du es über die Lippen? Wie sagst du „Es tut mir leid,“ wenn du selbst nie gelernt hast, wie es richtig geht?
Der Teufelskreis der Nicht-Entschuldigungen
Viele Mütter, besonders solche mit lateinamerikanischen Wurzeln, kennen die TikToks und Memes, die das Phänomen der „Latine Parent Apology“ parodieren. Da kommt die Mutter oder der Vater mit Tränen in den Augen des Kindes und einem Schmerz in der eigenen Stimme ins Zimmer, vielleicht nach einem Streit. Kurz darauf betritt der Elternteil den Raum mit einem Teller Suppe und sagt: „¡La comida está lista! ¿Tienes hambre?“ (Das Essen ist fertig! Hast du Hunger?) Oder vielleicht: „¿Quieres ir a la tienda? Te compraré algo si quieres.“ (Willst du in den Laden gehen? Ich kaufe dir etwas, wenn du willst.). Es ist ein subtiler Versuch, die Situation zu entschärfen, ohne das eigentliche Problem anzusprechen. Statt einer klaren Entschuldigung gibt es Essen, Geschenke oder Ablenkung. Auf den ersten Blick mag das harmlos erscheinen, doch diese Verhaltensweise kann langfristig negative Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Eltern und Kindern haben.
Dieses Verhalten, das aus Angst vor Kontrollverlust oder dem Eingeständnis von Fehlbarkeit resultieren kann, untergräbt das Vertrauen und die Offenheit in der Familie. Kinder lernen so, dass Fehler nicht angesprochen werden dürfen und dass Konflikte lieber vermieden als gelöst werden. Anstatt zu lernen, wie man mit Fehlern umgeht und daraus lernt, wird eine Fassade der Perfektion aufrechterhalten. Ein Klima, in dem sich Kinder nicht trauen, ihre Gefühle offen zu zeigen, weil sie Angst vor Ablehnung oder Bestrafung haben. Die mangelnde Bereitschaft zur Entschuldigung kann tiefere Wurzeln haben. In manchen Kulturen, wie der lateinamerikanischen, ist das Eingeständnis von Fehlern oft mit Machismo und Macht verbunden. Eltern sehen sich als unfehlbar und betrachten jede Infragestellung ihrer Autorität als Bedrohung.
Die Macht der ehrlichen Entschuldigung
Doch es gibt einen Ausweg aus diesem Teufelskreis. Es beginnt mit der Erkenntnis, dass eine Entschuldigung keine Schwäche, sondern eine Stärke ist. Eine ehrliche Entschuldigung zeigt, dass man bereit ist, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen und die Gefühle anderer zu respektieren. Sie öffnet die Tür für Versöhnung und stärkt die Bindung zwischen Eltern und Kindern. Wieso ist es so wichtig, sich zu entschuldigen? Yolanda Renteria, eine lizenzierte hispanische Beraterin, erklärt:
Eine Entschuldigung ist der Beginn einer Wiedergutmachung, sie gibt den Menschen das Gefühl, verstanden zu werden und ermöglicht eine Verbindung, weil sie Menschen in einen Zustand der Offenheit bringt. Als Menschen werden wir immer Fehler machen, und es ist wichtig, anzuerkennen, wenn wir etwas falsch gemacht haben, damit wir uns verbessern und in unseren Beziehungen besser in Erscheinung treten können.
Stell dir vor, du entschuldigst dich aufrichtig bei deinem Kind für deinen Ausbruch in der Küche. Du erklärst, dass du gestresst warst, aber dass das keine Entschuldigung für dein Verhalten ist. Du sagst, dass du es bereust, dein Kind angeherrscht zu haben und dass du in Zukunft versuchen wirst, geduldiger zu sein. Was glaubst du, wie dein Kind reagieren wird? Wahrscheinlich mit Erleichterung und dem Gefühl, verstanden und geliebt zu werden. Es wird lernen, dass Fehler menschlich sind und dass es in Ordnung ist, sie zuzugeben. Es wird lernen, wie man sich selbst entschuldigt und anderen vergibt. Und es wird lernen, dass eure Beziehung stark genug ist, um auch schwierige Situationen zu überstehen.
Eine aufrichtige Entschuldigung beginnt mit Empathie: Zuhören und Verstehen stärkt die familiäre Bindung.
Wie man richtig „Es tut mir leid“ sagt
Aber wie sieht eine „richtige“ Entschuldigung aus? Es geht nicht darum, einfach nur die Worte „Es tut mir leid“ zu sagen. Es geht darum, die Perspektive des Kindes einzunehmen, seine Gefühle zu validieren und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Hier sind einige Tipps für eine aufrichtige Entschuldigung:
- Höre aufmerksam zu: Gib deinem Kind die Möglichkeit, seine Gefühle auszudrücken, ohne zu unterbrechen oder zu rechtfertigen.
- Validiere die Gefühle deines Kindes: Zeige, dass du seine Gefühle ernst nimmst, auch wenn du sie nicht teilst. Sage zum Beispiel: „Ich kann verstehen, dass du traurig bist.“
- Übernehme Verantwortung: Erkläre, was du falsch gemacht hast, ohne Ausreden zu suchen.
- Entschuldige dich aufrichtig: Sage „Es tut mir leid“ und zeige, dass du es ernst meinst.
- Biete eine Lösung an: Erkläre, wie du in Zukunft anders handeln wirst.
Teresa Solis, eine 36-jährige mexikanisch-amerikanische Mutter von zwei Kindern, erinnert sich an ihre eigene Kindheit: „Ich hätte mir gewünscht, dass sich meine Eltern bei mir entschuldigen, wenn wir Meinungsverschiedenheiten hatten und sie wussten, dass ich Recht hatte, aber sie wollten nicht zugeben, dass sie Unrecht hatten. Sie hielten sich für richtig, nur weil sie die Eltern sind“, sagt Solis. Solis hat sich entschieden, diesen Kreislauf zu durchbrechen. „Ich ändere das bei meinen eigenen Kindern, indem ich meine Fehler zugebe“, sagt Solis. „Wenn wir streiten und ich merke, dass ich falsch liege, entschuldige ich mich bei ihnen.“
Es ist nie zu spät, alte Muster zu durchbrechen und eine neue Art der Kommunikation in der Familie zu etablieren. Es mag anfangs ungewohnt sein, sich bei seinen Kindern zu entschuldigen, aber die positiven Auswirkungen auf eure Beziehung werden es wert sein. Indem du deinen Kindern zeigst, dass du bereit bist, deine Fehler einzugestehen und daraus zu lernen, gibst du ihnen ein wertvolles Geschenk mit auf den Weg. Du lehrst sie, dass Ehrlichkeit, Empathie und die Fähigkeit zur Versöhnung die Grundpfeiler einer starken und liebevollen Beziehung sind.
Denke daran, dass eine Entschuldigung nicht nur ein Zeichen von Respekt, sondern auch eine Investition in die Zukunft deiner Familie ist. Sie schafft eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit, in der sich jeder sicher fühlt, seine Gefühle auszudrücken und Fehler zu machen. Und das ist es doch, was wir uns alle für unsere Kinder wünschen: Ein Zuhause, in dem sie geliebt, verstanden und akzeptiert werden, mit all ihren Stärken und Schwächen.
Fazit: Die heilende Kraft der Entschuldigung
Eine ehrliche Entschuldigung ist mehr als nur eine Floskel; sie ist ein Zeichen von Stärke und Reife. Indem Mütter lernen, sich aufrichtig bei ihren Kindern zu entschuldigen, brechen sie mit alten Mustern und schaffen eine neue Basis des Vertrauens und der Offenheit. Es geht darum, die Perspektive des Kindes einzunehmen, seine Gefühle zu validieren und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Eine aufrichtige Entschuldigung öffnet die Tür zur Versöhnung, stärkt die familiäre Bindung und lehrt Kinder den Wert von Ehrlichkeit und Empathie. Es ist ein Geschenk, das nicht nur die Beziehung zwischen Eltern und Kindern verbessert, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur emotionalen Entwicklung der Kinder leistet.
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