In einer Welt, die sich ständig wandelt, stehen Mütter vor der Herausforderung, ihren Kindern ein realistisches und unvoreingenommenes Bild der Geschlechterrollen zu vermitteln. Es ist eine Aufgabe, die weit über das bloße Abspielen von Klischees hinausgeht – es geht darum, eine neue Generation zu erziehen, die sich frei von den Fesseln veralteter Vorstellungen entfalten kann. Collien Ulmen-Fernandes, bekannt als Moderatorin und Kinderbuchautorin, hat sich dieser Aufgabe mit Leidenschaft verschrieben. Ihre Beobachtungen und Erfahrungen zeigen, wie tief Geschlechterklischees in unserer Gesellschaft verwurzelt sind und wie wichtig es ist, diese aufzubrechen.
Die Wurzeln der Klischees
Collien Ulmen-Fernandes begann, sich intensiver mit dem Thema Geschlechterrollen auseinanderzusetzen, als sie feststellte, wie stark diese bereits im Alltag ihrer eigenen Tochter präsent waren. Im Kindergartenalter kamen Sätze wie „Hip-Hop, Skateboard, Ninjago, das sind alles keine Mädchensachen“ auf – eine direkte Folge der tradierten Rollenbilder, die Kinder unbewusst aufnehmen. Diese Erfahrung war ein Weckruf und motivierte sie, genauer hinzusehen und zu hinterfragen.
Die Kinderbuchregale, die eigentlich eine Welt der Fantasie und unbegrenzten Möglichkeiten sein sollten, entpuppten sich als Spiegelbild der gesellschaftlichen Konventionen. Mütter, die die Kinder ins Bett bringen, Väter, die unerwähnt bleiben – eine stereotype Darstellung, die sich in vielen Kinderfilmen und -serien wiederfindet. Diese Bilder prägen, sie schränken ein und vermitteln den Eindruck, dass bestimmte Rollen und Interessen nur für ein Geschlecht bestimmt sind. Für Mütter, die ihren Kindern eine offene und vielfältige Welt zeigen möchten, ist es daher entscheidend, diese Klischees zu erkennen und bewusst zu durchbrechen.
Der unterbewusste Einfluss
Oftmals wirken Geschlechterklischees im Unterbewusstsein und beeinflussen Entscheidungen und Wahrnehmungen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Collien Ulmen-Fernandes berichtet von einem Beispiel aus der Arbeit an ihrem Kinderbuch „Lotti und Otto“. In der Exposéform wurde eine Figur, die mehr weiß als die anderen, automatisch als „Herr Hase“ betitelt. Als sie vorschlug, eine Frau in dieser Rolle zu besetzen, wurde ihr ein nerdiger Typ mit dicker Brille vorgeschlagen. Auch das ist ein erlerntes Bild: Eine kluge Frau muss zwangsläufig nerdig sein. Sie aber wollte eine klassisch mädchenhafte Figur, um zu zeigen, dass Intelligenz und feminine Attribute kein Widerspruch sind. Diese Erfahrung verdeutlicht, wie tief solche Stereotype in unserer Denkweise verankert sind und wie wichtig es ist, sie aktiv zu hinterfragen.
Collien Ulmen-Fernandes in herbstlicher Kulisse – ein Symbol für Stärke und Selbstbewusstsein.
Die Auseinandersetzung mit Geschlechterklischees ist besonders für Mütter relevant, da sie eine Schlüsselrolle in der Erziehung ihrer Kinder spielen. Es liegt an ihnen, ihren Kindern zu vermitteln, dass ihre Interessen und Fähigkeiten nicht durch ihr Geschlecht bestimmt werden. Dies erfordert ein bewusstes Hinterfragen der eigenen Vorstellungen und eine aktive Auseinandersetzung mit den Rollenbildern, die in der Gesellschaft vorherrschen.
Es ist voll ok als Junge ängstlich zu sein, es ist voll ok als Junge sensibel zu sein, Jungs müssen sich dafür nicht schämen, aber leider lernen sie es so. Auch, weil sie in erster Linie Rolemodels haben, die vor allem stark und furchtlos sind.
Mädchen dürfen Fußball lieben, Jungs ängstlich sein
Ein Mädchen kann puppenhaft sein und trotzdem Fußball lieben, ein Junge kann sensibel sein und trotzdem stark. Es geht darum, sich frei zu machen von erlernten Bildern und zu akzeptieren, dass Menschen vielfältig sind und unterschiedliche Interessen haben können, unabhängig von ihrem Geschlecht. Collien Ulmen-Fernandes betont, dass sie gerne Lippenstift trägt und gleichzeitig handwerklich begabt ist. Diese Kombination zeigt, dass man nicht in eine Schublade passen muss, sondern verschiedene Facetten haben kann.
Für Mütter bedeutet das, ihren Kindern die Freiheit zu geben, sich auszuprobieren und ihre eigenen Interessen zu entdecken, ohne Angst vor Verurteilung oder Ausgrenzung. Es bedeutet, ihnen zu zeigen, dass es in Ordnung ist, anders zu sein und dass Vielfalt eine Bereicherung ist. Es ist wichtig, Jungen zu ermutigen, über ihre Gefühle zu sprechen und Mädchen zu zeigen, dass sie stark und mutig sein können.
Die Macht der Sprache
Die Sprache spielt eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung von Geschlechterrollen. Das generische Maskulinum, bei dem beispielsweise Berufsbezeichnungen nur in der männlichen Form genannt werden, führt dazu, dass Frauen in bestimmten Bereichen unsichtbar gemacht werden. Collien Ulmen-Fernandes erklärt, dass in Drehbüchern oft ein Männeranteil von zwei Dritteln vorherrscht, weil Rollen wie „Briefträger“ oder „Polizist“ automatisch mit einem Mann besetzt werden. Daher ist es wichtig, beide Geschlechter zu nennen oder geschlechtsneutrale Formulierungen zu verwenden, um eine gleichberechtigte Darstellung zu gewährleisten. Für Mütter bedeutet das, auf eine inklusive Sprache zu achten und ihre Kinder dazu anzuhalten, dies ebenfalls zu tun. Es ist ein kleiner Schritt, der jedoch eine große Wirkung haben kann.
Die Sprache ist ein mächtiges Werkzeug, um Geschlechterklischees aufzubrechen und eine inklusive Gesellschaft zu fördern. Indem wir bewusst auf unsere Wortwahl achten, können wir dazu beitragen, dass sich alle Kinder und Jugendlichen in ihrer Identität akzeptiert und wertgeschätzt fühlen.
Die Realität im Klassenzimmer
Collien Ulmen-Fernandes berichtet von einem Experiment in einer Schulklasse, bei dem die Kinder ihren Namen auf einem „Hau den Lukas“ anbringen sollten, je nachdem, wie stark sie sich fühlen. Die Mädchen klebten ihre Namen überwiegend bei niedrigen Werten hin, während die Jungen sich selbst als deutlich stärker einschätzten. Dabei gibt es in der physischen Kraft vor der Pubertät kaum Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen. Dieses Beispiel zeigt, wie früh Mädchen lernen, sich selbst zu unterschätzen und ihre Fähigkeiten geringer einzuschätzen als Jungen. Es ist ein Ergebnis der Geschlechterzuschreibungen, die Kinder von klein auf erfahren.
Auf Produkten für Jungen stehen Attribute wie stark und mutig, während auf Mädchenprodukten Begriffe wie lieblich und zart zu finden sind. Diese unterschiedlichen Botschaften verstärken die Vorstellung, dass Mädchen und Jungen unterschiedliche Eigenschaften und Fähigkeiten haben. Für Mütter ist es wichtig, diese Stereotype zu erkennen und ihren Kindern zu vermitteln, dass sie alles sein und erreichen können, was sie sich wünschen, unabhängig von ihrem Geschlecht. Es geht darum, Mädchen zu ermutigen, ihre Stärken zu erkennen und selbstbewusst zu präsentieren, und Jungen zu zeigen, dass es in Ordnung ist, Gefühle zu zeigen und sensibel zu sein.
Die Herausforderungen für Jungen
Während sich die Gesellschaft zunehmend für die Rechte und Möglichkeiten von Mädchen einsetzt, geraten Jungen manchmal in den Hintergrund. Auch sie sind von Geschlechterklischees betroffen und werden in ihrer Entwicklung eingeschränkt. Jungen wird oft eine toxische Maskulinität antrainiert, die ihnen verbietet, Gefühle zu zeigen oder Schwäche zuzulassen. Werden sie diesem Bild nicht gerecht, drohen Ausgrenzung und Mobbing. Studien zeigen, dass Jungen weniger Worte für ihre Gefühle haben, weil sie gelernt haben, diese zu unterdrücken. Es ist wichtig, Jungen zu zeigen, dass es in Ordnung ist, ängstlich oder sensibel zu sein und dass sie sich dafür nicht schämen müssen. Sie brauchen Rolemodels, die nicht nur stark und furchtlos sind, sondern auch ihre Gefühle zeigen und authentisch sind.
Collien Ulmen-Fernandes berichtet von Zuschriften von Müttern, deren Söhne gerne Glitzerhaarspangen tragen würden, sich aber nicht trauen, weil sie Angst vor Hänseleien haben. In ihrem Buch „Lotti und Otto“ thematisiert sie dieses Problem, indem sie Otto zeigt, der sich nicht traut, seine Blumenshirts zu tragen, weil er befürchtet, dass die anderen Jungs ihn dafür auslachen könnten. Es ist wichtig, Jungen zu ermutigen, ihre Individualität auszuleben und sich nicht von Geschlechterklischees einschränken zu lassen. Mädchen-Empowerment ist wichtig, aber es darf nicht dazu führen, dass Jungen vergessen werden.
Die Zukunft gestalten
Collien Ulmen-Fernandes plant bereits einen dritten Teil von „Lotti und Otto“ und Vorlesegeschichten für ältere Kinder, um das Thema Geschlechterklischees weiterhin zu bearbeiten. Sie hat erkannt, dass auch Mädchen vor der Pubertät extremen Geschlechterklischees ausgesetzt sind und dass es wichtig ist, ihnen alternative Vorbilder und Berufswege aufzuzeigen. Sie ist ein großer Fan von „Good Night Stories for Rebel Girls“, einem Buch, das jungen Mädchen zeigt, dass es neben Topmodel und Prinzessin auch noch andere Optionen gibt, wie Erfinderin oder Politikerin. Indem wir unseren Kindern vielfältige Vorbilder präsentieren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre eigenen Interessen und Fähigkeiten zu entdecken, können wir dazu beitragen, dass sie sich frei von Geschlechterklischees entfalten und ihre Potenziale voll ausschöpfen können.
Für Mütter bedeutet das, eine aktive Rolle bei der Gestaltung der Zukunft ihrer Kinder zu spielen. Es bedeutet, sich bewusst mit Geschlechterklischees auseinanderzusetzen, sie zu hinterfragen und ihren Kindern zu vermitteln, dass sie alles sein und erreichen können, was sie sich wünschen. Es ist eine Aufgabe, die Zeit und Engagement erfordert, aber die sich lohnt, um eine gerechtere und vielfältigere Gesellschaft zu schaffen.
Fazit
Collien Ulmen-Fernandes‘ Engagement für das Aufbrechen von Geschlechterklischees ist ein wichtiger Beitrag zu einer offeneren und gerechteren Gesellschaft. Ihre Erfahrungen und Beobachtungen zeigen, wie tief diese Klischees in unserer Denkweise verankert sind und wie wichtig es ist, sie aktiv zu hinterfragen. Für Mütter bedeutet das, eine Schlüsselrolle bei der Erziehung ihrer Kinder zu spielen und ihnen zu vermitteln, dass ihre Interessen und Fähigkeiten nicht durch ihr Geschlecht bestimmt werden. Es geht darum, Mädchen zu ermutigen, ihre Stärken zu erkennen und selbstbewusst zu präsentieren, und Jungen zu zeigen, dass es in Ordnung ist, Gefühle zu zeigen und sensibel zu sein. Indem wir eine inklusive Sprache verwenden, vielfältige Vorbilder präsentieren und unseren Kindern die Freiheit geben, ihre Individualität auszuleben, können wir dazu beitragen, dass sie sich frei von Geschlechterklischees entfalten und ihre Potenziale voll ausschöpfen können. Es ist eine Aufgabe, die Zeit und Engagement erfordert, aber die sich lohnt, um eine gerechtere und vielfältigere Gesellschaft zu schaffen.
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