Es ist ein ganz normaler Morgen. Der Wecker klingelt gefühlt viel zu früh, die Kinder quengeln, der Kaffee ist alle, und die To-Do-Liste scheint endlos. Dann die Nachricht im Gruppenchat der Arbeit: „Ich melde mich krank, mir geht es nicht gut.“ Ein Stich, ein kurzer, fast unmerkbarer Moment des Neids. Ein Gedanke huscht durch den Kopf: „Die hat es gut…“
Der heimliche Wunsch nach einer Auszeit
Dieser Gedanke, so absurd er auch erscheinen mag, ist gar nicht so selten, besonders unter Müttern. Es ist nicht der Wunsch nach Krankheit an sich, sondern vielmehr die Sehnsucht nach einer Pause, nach Entlastung von den unzähligen Verpflichtungen, die das Leben als Mutter mit sich bringt. Der Alltag von Müttern ist oft ein Balanceakt zwischen Job, Kindern, Haushalt und den eigenen Bedürfnissen, die dabei oft auf der Strecke bleiben. Die ständige Verfügbarkeit, der Druck, alles perfekt machen zu wollen, und die kaum vorhandene Zeit für Erholung führen zu einem Zustand chronischer Überlastung.
Viele Mütter kennen dieses Gefühl der Überforderung nur allzu gut. Die endlosen Aufgaben, die ständige Aufmerksamkeit, die Kinder fordern, und die wenigen Momente der Ruhe, die man sich gönnen kann. Da erscheint die Vorstellung, krank im Bett zu liegen, plötzlich wie ein luxuriöser Wellnessurlaub. Keine Termine, keine Verpflichtungen, einfach nur Ruhe und Erholung. Doch die Realität sieht oft anders aus. Krank zu Hause mit Kindern bedeutet meist: alles wie immer, nur mit Fieberthermometer.
Es ist wichtig zu verstehen, dass dieser Wunsch nach Krankheit kein Zeichen von Schwäche ist, sondern ein Alarmsignal. Es ist der Körper und die Seele, die nach einer Auszeit schreien, bevor es zu spät ist. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Balance im Leben aus dem Gleichgewicht geraten ist und dringend wiederhergestellt werden muss. Aber wie schafft man das in einem Alltag, der ohnehin schon vollgepackt ist?
Kleine Auszeit, große Wirkung: Ein Moment der Ruhe im stressigen Mama-Alltag.
Die Antwort ist nicht einfach, aber sie beginnt damit, sich selbst einzugestehen, dass man eine Pause braucht. Es beginnt damit, die eigenen Bedürfnisse wieder in den Fokus zu rücken und sich bewusst Zeit für sich selbst zu nehmen. Es beginnt damit, Aufgaben zu delegieren, Hilfe anzunehmen und Perfektionismus loszulassen.
„Es geht nicht primär um das Kranksein. Durch die ‚Hospital Fantasy‘ meldet sich stellvertretend das dringende Bedürfnis nach einer Pause.“
Die sogenannte „Hospital Fantasy“, von der die US-amerikanische Fachbuchautorin Katrina Alcorn in ihrem Buch „Maxed Out: American Moms on the Brink“ berichtet, ist ein weit verbreitetes Phänomen unter Müttern. Alcorn befragte 141 Mütter, und 61 Prozent gaben an, schon einmal eine solche Fantasie gehabt zu haben. Es ist ein Ausdruck des dringenden Bedürfnisses nach einer Auszeit, nach Ruhe und Entlastung von den ständigen Anforderungen des Alltags. Es ist ein Wunsch nach einem Ort, an dem man sich zurückziehen kann, ohne schlechtes Gewissen, und sich voll und ganz auf sich selbst konzentrieren kann.
Im Kern geht es um die Anerkennung der eigenen Grenzen und die Notwendigkeit, sich selbst Fürsorge zu schenken. Mütter müssen lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zu priorisieren, ohne sich schuldig zu fühlen. Denn nur, wer auf sich selbst achtet, kann auch für andere da sein. Es ist ein wichtiger Schritt, um die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden langfristig zu erhalten und ein Burnout zu verhindern.
Die Last der Mental Load
Ein wichtiger Aspekt, der zu dieser Überlastung beiträgt, ist die sogenannte Mental Load. Darunter versteht man die unsichtbare Arbeit, die im Kopf abläuft, die Planung, Organisation und Koordination des Familienlebens. Wer denkt daran, dass die Kinder neue Schuhe brauchen? Wer plant die Geburtstagsfeier? Wer erinnert an den Arzttermin? Oft liegt diese Last hauptsächlich bei den Müttern, was zu einem Gefühl der ständigen Verantwortung und Überforderung führt.
Es beginnt schon bei den kleinen Dingen: Wer denkt daran, dass die Milch fast leer ist und nachgekauft werden muss? Wer plant die Mahlzeiten für die kommende Woche? Wer organisiert die Freizeitaktivitäten der Kinder? All diese Aufgaben, die oft unbemerkt im Hintergrund ablaufen, summieren sich und können zu einer enormen Belastung werden. Und oft fehlt die Anerkennung für diese unsichtbare Arbeit, was das Gefühl der Überforderung noch verstärkt.
Die Lösung liegt in einer fairen Aufteilung der Aufgaben. Es ist wichtig, dass beide Elternteile Verantwortung übernehmen und sich aktiv an der Planung und Organisation des Familienlebens beteiligen. Das bedeutet, Aufgaben zu delegieren, Zuständigkeiten zu definieren und sich gegenseitig zu unterstützen. Es bedeutet auch, offen über die eigenen Bedürfnisse und Belastungen zu sprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Wege aus der Überlastung
Es gibt viele Möglichkeiten, dem Teufelskreis der Überlastung zu entkommen. Hier sind einige Tipps, die helfen können:
- Zeitmanagement: Plane deinen Tag bewusst und setze Prioritäten. Was ist wirklich wichtig und was kann warten?
- Delegation: Übertrage Aufgaben an andere, sei es der Partner, die Kinder oder eine Haushaltshilfe.
- Selbstfürsorge: Nimm dir bewusst Zeit für dich selbst, sei es ein entspannendes Bad, ein Spaziergang in der Natur oder ein Treffen mit Freunden.
- Perfektionismus loslassen: Es muss nicht immer alles perfekt sein. Akzeptiere, dass Fehler passieren und sei nachsichtig mit dir selbst.
- Nein sagen lernen: Du musst nicht jede Aufgabe übernehmen. Lerne, dich abzugrenzen und deine Grenzen zu wahren.
Die Zeit für sich selbst muss nicht lang sein. Oft reichen schon kleine Momente der Ruhe und Entspannung, um neue Energie zu tanken. Ein paar Minuten Meditation am Morgen, eine Tasse Tee in Ruhe genießen oder ein kurzes Gespräch mit einer Freundin können Wunder wirken. Es ist wichtig, diese kleinen Auszeiten bewusst in den Alltag zu integrieren und sie nicht als Luxus, sondern als Notwendigkeit zu betrachten.
Darüber hinaus ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen, wenn die Belastung zu groß wird. Ein Gespräch mit einem Therapeuten oder Coach kann helfen, die eigenen Bedürfnisse besser zu verstehen, Strategien zur Stressbewältigung zu entwickeln und die Balance im Leben wiederherzustellen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sich Hilfe zu suchen, sondern ein Zeichen von Stärke und Selbstverantwortung.
Fazit: Die eigenen Bedürfnisse erkennen und priorisieren
Der Wunsch, krank zu sein, ist oft ein Hilferuf der Seele, ein Zeichen dafür, dass die Balance im Leben aus dem Gleichgewicht geraten ist. Es ist ein Alarmsignal, das ernst genommen werden muss. Mütter müssen lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu priorisieren, ohne sich schuldig zu fühlen. Eine faire Aufteilung der Aufgaben, bewusste Selbstfürsorge und die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen, sind wichtige Schritte, um die Überlastung zu reduzieren und die Lebensqualität zu verbessern. Es ist an der Zeit, dass die Gesellschaft die Leistung von Müttern anerkennt und sie in ihrem Alltag unterstützt, damit sie nicht mehr von einem Krankenhausaufenthalt als einziger Möglichkeit der Entlastung träumen müssen.
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