Die Tür fällt ins Schloss, und die Stille des Hauses umfängt Sarah wie eine warme Decke. Endlich Feierabend. Doch statt Entspannung macht sich ein nagendes Gefühl in ihr breit. Rechnungen, Studienkredit, die Frage, ob das Geld diesen Monat für den neuen Wintermantel der Tochter reicht. Ein Kloß im Hals, der sich mit jedem Gedanken an ihre Finanzen verstärkt. Sarah ist keine Ausnahme. Viele Mütter kennen diesen diffusen Stress, der weit über bloße Geldsorgen hinausgeht: Finanzielles Trauma.
Wenn Geld zur Belastung wird
In einer Zeit, in der offene Gespräche über psychische Gesundheit immer mehr Raum einnehmen, wird deutlich, dass Trauma viele Gesichter hat – auch finanzielle. Das erklärt so manches komplizierte Verhalten und Gefühl im Umgang mit Geld. Studien zeigen, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung die eigenen Finanzen als Belastung für die mentale Gesundheit empfindet. Aber woher kommt das?
Oftmals wurzeln diese Probleme in der Kindheit. Wer in einem Umfeld aufwächst, in dem Grundbedürfnisse wie Wohnen, Essen und Gesundheitsversorgung aufgrund von Geldmangel nicht erfüllt werden konnten, trägt ein erhöhtes Risiko, später im Leben ein finanzielles Trauma zu entwickeln. Aber auch einschneidende Erlebnisse im Erwachsenenalter können tiefe Spuren hinterlassen.
Es beginnt schleichend: Ein unerwarteter Jobverlust, eine teure Reparatur am Auto oder die plötzliche Krankheit eines Familienmitglieds. Solche Ereignisse können das fragile finanzielle Gleichgewicht aus der Bahn werfen und ein Gefühl von Ohnmacht und Kontrollverlust auslösen. Die ständige Angst vor dem nächsten finanziellen Engpass wird zum ständigen Begleiter, der sich in Schlafstörungen, Reizbarkeit und sozialem Rückzug äußern kann.
Die unsichtbaren Wunden: Was finanzielles Trauma bedeutet
Expert:innen beschreiben finanzielles Trauma als die Reaktion auf die wiederholte Schädigung der Fähigkeit, Vermögen aufzubauen und eine gesunde Beziehung zu Geld zu entwickeln. Es betrifft nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch ihre Familien und kann sich über Generationen hinweg vererben.
Die Ursachen für dieses Trauma sind vielfältig: Hohe Schulden, Armut in der Kindheit, Arbeitslosigkeit, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt oder die finanziellen Folgen von Krankheit, Jobverlust, Inhaftierung oder Scheidung. Auch familiäre Probleme im Zusammenhang mit Geld oder gar Betrug können traumatische Erfahrungen sein.
Auch wenn finanzielles Trauma keine offizielle psychische Diagnose ist, ähneln die Symptome denen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Betroffene leiden oft unter überwältigender Angst und Sorge um Geld, unabhängig davon, wie viel sie verdienen oder gespart haben. Sie verlieren den Schlaf, vermeiden es, ihre Kontoauszüge zu prüfen, oder geben entweder zu wenig oder zu viel Geld aus. Auch körperliche Beschwerden wie Bauchschmerzen, Reizdarmsyndrom, Kopfschmerzen oder Bluthochdruck können auftreten.
Finanzielle Traumata & Generationenwohlstand
Die Auswirkungen finanzieller Traumata können sich in jedem Alter zeigen und müssen nicht mit dem Alter an Intensität verlieren. Vielmehr hängt es davon ab, wie wir in der Lage sind, die traumatische Erfahrung zu verarbeiten. Kinder haben oft nicht die nötigen Werkzeuge, das Verständnis oder die Informationen, um ein Trauma zu verarbeiten. Sie erleben es einfach und lassen es ihr Leben beeinflussen. Studien zeigen, dass sich unsere Geldgewohnheiten bereits im Alter von sieben Jahren festigen und später nur schwer zu ändern sind.
Finanzielle Traumata beeinflussen nicht nur unser eigenes Leben, sondern auch das unserer Kinder. Indem wir uns unseren eigenen Herausforderungen stellen, können wir verhindern, dass wir diese an die nächste Generation weitergeben.
Der Teufelskreis der Armut: Generationenarmut und ihre Folgen
Finanzielle Traumata sind oft eng mit Generationenarmut verbunden, einem Teufelskreis, der sich über mehrere Generationen hinweg fortsetzt. Kinder, die in Armut aufwachsen, haben oft schlechtere Bildungschancen, einen erschwerten Zugang zu Gesundheitsversorgung und weniger Möglichkeiten, Vermögen aufzubauen. Diese Benachteiligungen können sich auf ihre Zukunft auswirken und es ihnen erschweren, aus dem Kreislauf der Armut auszubrechen.
Die Zahlen sind alarmierend: Studien zeigen, dass Kinder aus einkommensschwachen Familien ein deutlich höheres Risiko haben, später selbst in Armut zu leben. Dieser Teufelskreis wird oft durch mangelnde finanzielle Bildung und fehlende Vorbilder verstärkt. Wenn Eltern selbst mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben, können sie ihren Kindern oft nicht die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse vermitteln, um einen gesunden Umgang mit Geld zu entwickeln. So setzt sich die Spirale der Armut fort.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Generationenarmut nicht nur ein individuelles Problem ist, sondern ein gesellschaftliches. Faktoren wie Diskriminierung, mangelnde soziale Mobilität und ungleiche Bildungschancen spielen eine entscheidende Rolle. Um den Teufelskreis zu durchbrechen, sind umfassende Maßnahmen erforderlich, die sowohl individuelle Unterstützung als auch strukturelle Veränderungen umfassen. Dazu gehören Investitionen in Bildung, die Schaffung von Arbeitsplätzen mit fairen Löhnen, der Abbau von Diskriminierung und der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum und Gesundheitsversorgung.
Wege zur Heilung: Wie Mütter ihr finanzielles Trauma überwinden können
Der erste Schritt zur Überwindung eines finanziellen Traumas ist die Erkenntnis, dass man ein solches erlebt hat und welche Auswirkungen es auf einen hat. Es ist wichtig, sich einzugestehen, dass die Situation schwierig war und man durch die Umstände verletzt wurde. Das hilft, die eigenen Reaktionen auf bestimmte Auslöser besser zu verstehen.
Es kann schwierig sein, über finanzielle Traumata zu sprechen, besonders wenn sie in der Kindheit entstanden sind. Es fühlt sich vielleicht an, als würde man schlecht über die eigene Erziehung oder die Entscheidungen der Eltern reden. Doch es ist wichtig, sich von diesen Schuldgefühlen zu befreien und sich einzugestehen, dass man ein Recht auf Heilung hat.
Der Austausch mit vertrauten Personen über Geld und die damit verbundenen Erfahrungen kann sehr hilfreich sein. Offene Gespräche ermöglichen es, die eigenen Probleme zu verarbeiten, Unterstützung zu erhalten und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Es kann auch hilfreich sein, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Auch kleine, positive Veränderungen im Umgang mit Geld können dazu beitragen, das Gefühl der Kontrolle zurückzugewinnen. Zum Beispiel kann man sich angewöhnen, bei jeder Gehaltszahlung einen bestimmten Betrag auf ein Notfallkonto zu überweisen. Oder man erstellt einen Budgetplan, um einen besseren Überblick über die eigenen Einnahmen und Ausgaben zu bekommen.
Hier sind einige konkrete Schritte, die helfen können, mit finanziellem Trauma umzugehen:
- Finanztherapie: Eine/n Finanztherapeut:in kann helfen, die eigenen Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen im Umgang mit Geld zu verstehen.
- Psychotherapie: Eine/n Psychotherapeut:in mit Schwerpunkt auf kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) oder Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) kann helfen, die Auswirkungen des Traumas zu bewältigen.
- Finanzberater:in: Eine/n unabhängige/r Finanzberater:in kann spezifische Ratschläge zur eigenen finanziellen Situation geben.
- Selbsthilfegruppen: Zwölf-Schritte-Programme wie Schuldner anonym, Ausgeber anonym oder Spieler anonym bieten Unterstützung und Austausch mit anderen Betroffenen.
- Finanzielle Bildung: Die Verbesserung der eigenen finanziellen Kompetenz hilft, informierte Entscheidungen zu treffen.
Ein Geschenk für die Zukunft: Wie Mütter finanzielle Resilienz an ihre Kinder weitergeben
Es ist nie zu spät, gesunde finanzielle Gewohnheiten zu entwickeln. Und es ist ebenso wichtig, sicherzustellen, dass auch die eigenen Kinder im Umgang mit Geld geschult werden. Indem Mütter ihr eigenes Trauma aufarbeiten, können sie verhindern, dass sie es an ihre Kinder weitergeben. Kinder beobachten genau, wie ihre Eltern mit Geld umgehen, und lassen sich davon in ihren eigenen Geldgewohnheiten beeinflussen.
Offene Gespräche über Geld sind ein wichtiger Schritt. Eltern können mit ihren Kindern darüber sprechen, wie man für Geld arbeitet, wie man es für Wünsche und Bedürfnisse ausgibt und wie man es an andere weitergeben kann. Gesunde finanzielle Gewohnheiten beginnen in der Kindheit, und Eltern spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Es ist wichtig, Kinder in alltägliche finanzielle Entscheidungen einzubeziehen. Zum Beispiel können sie beim Einkaufen helfen und lernen, Preise zu vergleichen. Oder sie können ein eigenes kleines Budget verwalten, um zu lernen, wie man spart und Prioritäten setzt. Auch das Thema Schulden sollte altersgerecht angesprochen werden.
Es ist nicht immer einfach, Kinder vor finanziellen Traumata zu schützen. Aber Eltern können eine solide Grundlage schaffen, indem sie finanziell stabil sind, ihre Kinder über Geld aufklären und ihnen die nötigen Werkzeuge mitgeben, um einen gesunden Umgang mit Geld zu entwickeln.
Fazit
Finanzielles Trauma ist eine unsichtbare Wunde, die viele Mütter belastet. Es kann sich in Form von Angst, Stress und Kontrollverlust äußern und sich negativ auf die psychische und körperliche Gesundheit auswirken. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von Armut in der Kindheit bis hin zu einschneidenden Erlebnissen im Erwachsenenalter. Generationenarmut spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Vererbung finanzieller Traumata.
Der erste Schritt zur Heilung ist die Erkenntnis, dass man ein finanzielles Trauma erlebt hat. Offene Gespräche, professionelle Hilfe und kleine, positive Veränderungen im Umgang mit Geld können dazu beitragen, das Gefühl der Kontrolle zurückzugewinnen. Indem Mütter ihr eigenes Trauma aufarbeiten, können sie verhindern, dass sie es an ihre Kinder weitergeben und ihnen eine gesunde finanzielle Zukunft ermöglichen.
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