Die Szene ist vertraut: Ein Teller mit liebevoll zubereitetem Essen steht vor dem kleinen Jake, der ihn mit misstrauischem Blick mustert. Karotten? Igitt! Brokkoli? Niemals! Jedes Elternteil kennt diese Situation, in der das Kind die Nase rümpft und das Essen verweigert. Manchmal fühlt es sich an, als würde man gegen eine Festung ankämpfen, die mit kindlichem Trotz und unerschütterlicher Ablehnung verteidigt wird. Doch was tun, wenn der Nachwuchs zum „Picky Eater“ mutiert und jede Mahlzeit zum Nervenkrieg wird?
Der Teufelskreis der Essensverweigerung
Genau wie Jakes Eltern versuchten viele, mit Strenge und Überredungskunst das Essverhalten ihres Kindes zu beeinflussen. Dessert als Belohnung, das Hinterherlaufen mit dem Löffel – alles in der Hoffnung, dass wenigstens ein paar Bissen im Magen landen. Aber oft bewirken diese Maßnahmen genau das Gegenteil. Studien zeigen, dass das Verhalten der Eltern einen großen Einfluss auf die Essgewohnheiten der Kinder hat. Der ständige Druck und die negativen Assoziationen mit dem Essen können dazu führen, dass Kinder noch wählerischer werden und eine regelrechte Abneigung gegen bestimmte Lebensmittel entwickeln. Es entsteht ein Teufelskreis, aus dem es schwer ist, auszubrechen.
Ich erinnere mich an meine eigene Kindheit, in der meine Oma immer versuchte, mir Spinat schmackhaft zu machen. Ihre Taktik? Sie erzählte mir, dass Spinat mich stark wie Popeye machen würde. Obwohl ich Popeye liebte, blieb Spinat für mich eine grüne, schleimige Masse, die ich nur widerwillig aß. Erst Jahre später, als ich selbstständig kochte und neue Zubereitungsarten ausprobierte, entdeckte ich meine Liebe zum Spinat. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass es oft nicht am Lebensmittel selbst liegt, sondern an der Art und Weise, wie es präsentiert und erlebt wird.
Die Macht des Vorbilds
Der erste Schritt zu entspannteren Mahlzeiten beginnt bei den Eltern selbst. Kinder lernen durch Nachahmung, und das gilt auch für das Essverhalten. Wenn Eltern selbst eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse genießen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass auch die Kinder eine positive Einstellung zum Essen entwickeln. Es geht nicht darum, perfekt zu sein, sondern darum, eine gesunde Beziehung zum Essen vorzuleben. Gemeinsame Mahlzeiten in einer entspannten Atmosphäre, bei denen über angenehme Dinge gesprochen wird, können Wunder wirken. Vermeiden Sie es, während des Essens über Diäten oder Kalorien zu sprechen, da dies eine negative Botschaft vermitteln kann.
„Kinder sind wie kleine Spiegel: Sie reflektieren unser Verhalten und unsere Einstellungen. Wenn wir ihnen eine positive und entspannte Haltung zum Essen vorleben, legen wir den Grundstein für gesunde Essgewohnheiten.“
Es ist wichtig, dass Kinder sehen, dass Essen nicht nur eine Pflicht, sondern auch ein Genuss ist. Zeigen Sie Ihre Freude an verschiedenen Geschmacksrichtungen und Texturen. Lassen Sie die Kinder beim Kochen helfen und erklären Sie, woher die Lebensmittel kommen. Ein Besuch auf dem Bauernmarkt oder im eigenen Garten kann das Interesse an gesunden Lebensmitteln wecken. Kinder, die aktiv in die Zubereitung einbezogen werden, sind oft eher bereit, neue Dinge zu probieren.
Eltern sollten sich bewusst sein, dass ihre eigenen Essgewohnheiten und Vorlieben einen großen Einfluss auf die Kinder haben. Wenn ein Elternteil ständig über eine bestimmte Gemüsesorte die Nase rümpft, wird das Kind wahrscheinlich ähnliche Verhaltensweisen entwickeln. Es ist daher wichtig, als gutes Vorbild voranzugehen und eine Vielfalt an Lebensmitteln zu probieren. Auch wenn es schwerfällt, sollten Eltern versuchen, ihre eigenen negativen Assoziationen mit bestimmten Lebensmitteln zu überwinden, um ihren Kindern eine unvoreingenommene Erfahrung zu ermöglichen.
Früchte-Teller
Druck rausnehmen, Autonomie stärken
Zwang und Druck sind die größten Feinde einer entspannten Essatmosphäre. Eltern sollten vermeiden, ihre Kinder zum Essen zu zwingen oder zu überreden. Das erzeugt nur unnötigen Stress und kann dazu führen, dass Kinder das Essen mit negativen Gefühlen verbinden. Stattdessen sollten Eltern ihren Kindern die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, was und wie viel sie essen möchten. Die sogenannte „Division of Responsibility“ (Verantwortungsteilung) ist hier ein hilfreicher Ansatz. Eltern sind dafür verantwortlich, was auf den Tisch kommt und wie es präsentiert wird, während die Kinder selbst entscheiden, ob und wie viel sie davon essen möchten.
Es ist wichtig zu akzeptieren, dass Kinder unterschiedliche Geschmäcker und Vorlieben haben. Nicht jedes Kind mag jedes Gemüse, und das ist völlig in Ordnung. Eltern sollten sich darauf konzentrieren, eine Vielfalt an gesunden Lebensmitteln anzubieten und ihren Kindern die Freiheit zu lassen, auszuwählen, was sie essen möchten. Wenn ein Kind etwas ablehnt, sollten Eltern nicht aufgeben, sondern es immer wieder anbieten, ohne Druck auszuüben. Manchmal braucht es mehrere Versuche, bis ein Kind ein neues Lebensmittel akzeptiert.
Eltern sollten auch darauf achten, die Mahlzeiten nicht zu einem Machtkampf werden zu lassen. Wenn ein Kind das Essen verweigert, sollten Eltern ruhig bleiben und nicht emotional reagieren. Sie können dem Kind anbieten, etwas anderes zu essen, oder es einfach bis zur nächsten Mahlzeit warten lassen. Es ist wichtig, konsequent zu bleiben und nicht nachzugeben, wenn das Kind versucht, die Situation zu manipulieren. Eine entspannte und liebevolle Atmosphäre am Esstisch ist entscheidend für eine positive Beziehung zum Essen.
Belohnung und Bestrafung vermeiden
Essen sollte niemals als Belohnung oder Bestrafung eingesetzt werden. Wenn Kinder nur dann ein Dessert bekommen, wenn sie ihr Gemüse gegessen haben, lernen sie, dass Gemüse etwas Unangenehmes ist, das man nur für eine Belohnung in Kauf nimmt. Das untergräbt die intrinsische Motivation, gesunde Lebensmittel zu essen. Ebenso wenig sollten Eltern ihren Kindern das Essen verweigern, wenn sie sich „unartig“ verhalten haben. Essen sollte immer mit positiven Gefühlen verbunden sein.
Stattdessen können Eltern andere Formen der Belohnung einsetzen, die nicht mit Essen zusammenhängen. Ein gemeinsamer Ausflug, ein neues Spielzeug oder einfach nurQuality Time mit den Eltern können eine viel größere Wirkung haben. Es ist wichtig, den Kindern zu zeigen, dass ihre Leistung und ihr Verhalten unabhängig vom Essen wertgeschätzt werden. Eine positive und unterstützende Umgebung fördert ein gesundes Selbstwertgefühl und eine positive Beziehung zum Essen.
Eltern sollten auch darauf achten, ihre eigenen Emotionen nicht auf das Essen zu projizieren. Wenn Eltern selbst gestresst oder unzufrieden sind, kann sich das auf die Kinder übertragen und zu Problemen beim Essen führen. Es ist wichtig, sich Zeit für sich selbst zu nehmen und Stress abzubauen, um eine positive und entspannte Atmosphäre am Esstisch zu schaffen. Eine glückliche und ausgeglichene Familie ist die beste Voraussetzung für gesunde Essgewohnheiten.
Geduld und Ausdauer zahlen sich aus
Die Einführung neuer Lebensmittel kann eine Herausforderung sein, aber es lohnt sich, geduldig und ausdauernd zu sein. Studien zeigen, dass es bis zu 15 Versuche dauern kann, bis ein Kind ein neues Lebensmittel akzeptiert. Eltern sollten nicht entmutigt sein, wenn ihr Kind ein neues Gericht ablehnt, sondern es immer wieder anbieten, ohne Druck auszuüben. Es ist wichtig, die Lebensmittel auf unterschiedliche Arten zuzubereiten und zu präsentieren, um die Neugier der Kinder zu wecken.
Die „drei Es“ – expose, explore, expand – sind ein hilfreicher Ansatz, um Kinder an neue Lebensmittel heranzuführen. Zuerst sollten Kinder die Möglichkeit haben, das neue Lebensmittel kennenzulernen (expose). Das kann durch sensorische Spiele, Gartenarbeit oder den Besuch auf dem Markt geschehen. Dann sollten Kinder das Lebensmittel erkunden (explore), indem sie es anfassen, riechen und probieren. Schließlich können Kinder ihre Geschmackspalette erweitern (expand), indem sie das Lebensmittel in verschiedenen Gerichten und Zubereitungsarten kennenlernen.
Eltern sollten sich bewusst sein, dass jedes Kind unterschiedlich ist und ein individuelles Tempo hat. Einige Kinder sind von Natur aus neugieriger und experimentierfreudiger als andere. Es ist wichtig, die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben des Kindes zu respektieren und es nicht zu überfordern. Eine liebevolle und unterstützende Umgebung fördert die Bereitschaft, neue Dinge auszuprobieren und die eigene Geschmackspalette zu erweitern.
Fazit
Der Schlüssel liegt in der Gelassenheit
Gesunde Essgewohnheiten entwickeln sich nicht über Nacht. Es ist ein Prozess, der Zeit, Geduld und eine entspannte Atmosphäre erfordert. Eltern sollten sich nicht von Rückschlägen entmutigen lassen, sondern sich darauf konzentrieren, eine positive Beziehung zum Essen zu fördern. Indem sie selbst ein gutes Vorbild sind, den Druck herausnehmen, Belohnung und Bestrafung vermeiden und neue Lebensmittel immer wieder anbieten, können sie ihren Kindern helfen, eine vielfältige und ausgewogene Ernährung zu genießen. Und vergessen Sie nicht: Manchmal ist das Beste, was Eltern tun können, einfach loszulassen und darauf zu vertrauen, dass ihre Kinder ihren Weg finden werden.
Die wichtigsten Punkte noch einmal zusammengefasst:
- Seien Sie ein gutes Vorbild und leben Sie eine gesunde Beziehung zum Essen vor.
- Nehmen Sie den Druck heraus und lassen Sie Ihre Kinder selbst entscheiden, was und wie viel sie essen möchten.
- Vermeiden Sie Belohnung und Bestrafung im Zusammenhang mit Essen.
- Bieten Sie neue Lebensmittel immer wieder an, ohne Druck auszuüben.
- Schaffen Sie eine entspannte und liebevolle Atmosphäre am Esstisch.
- Vertrauen Sie darauf, dass Ihre Kinder ihren Weg zu einer gesunden Ernährung finden werden.
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