Als Mutter kennt man das: Jedes Kind ist einzigartig. Nicht nur im Charakter, sondern auch in der Art und Weise, wie es lernt. Während das eine Kind gebannt den Geschichten lauscht, die man vorliest, braucht das andere Kind Bewegung und das haptische Erleben, um etwas wirklich zu verstehen. Das Verständnis für den individuellen Lernstil des eigenen Kindes ist der Schlüssel, um es bestmöglich zu fördern und ihm die Freude am Lernen zu erhalten oder zurückzugeben. Es geht darum, die Stärken zu erkennen und zu nutzen, anstatt sich an vermeintlichen Schwächen aufzuhalten.
Was bedeutet Lernstil eigentlich?
Der Begriff „Lernstil“ beschreibt, wie ein Kind Informationen am besten aufnimmt, verarbeitet und behält. Es geht um die bevorzugten Sinneskanäle und Methoden, die ein Kind nutzt, um sich neues Wissen anzueignen. Theresa Bertuzzi, eine zertifizierte Grundschullehrerin und Expertin für frühkindliche Bildung, erklärt es so: „Lernstile stehen in direktem Zusammenhang mit unseren Sinnen und wie wir uns mit Material auseinandersetzen, um Informationen zu verstehen und zu behalten.“ Es ist wichtig zu verstehen, dass es nicht darum geht, Kinder in Schubladen zu stecken, sondern vielmehr darum, ihre individuellen Bedürfnisse zu erkennen und ihnen eine Lernumgebung zu bieten, die ihren Stärken entgegenkommt. Indem man den Lernstil des Kindes kennt, kann man ihm helfen, sein volles Potenzial auszuschöpfen und Lernblockaden zu überwinden.
Es gibt vier Haupttypen von Lernstilen, die im Folgenden genauer betrachtet werden: auditiv, kinästhetisch, taktil und visuell. Jedes Kind kann Elemente aus verschiedenen Lernstilen in sich vereinen, aber in der Regel dominiert ein bestimmter Stil. Als Elternteil kann man lernen, diese unterschiedlichen Stile zu erkennen und das Kind entsprechend zu unterstützen.
Die auditive Lerntyp: Hören und Verstehen
Auditive Lerner prägen sich Informationen am besten durch Hören und Zuhören ein. Sie können mündlichen Anweisungen leicht folgen und genießen es, wenn ihnen Geschichten vorgelesen werden. Oft haben sie ein gutes Gespür für Rhythmus und Tonhöhe und interessieren sich früh für Musik. Diese Kinder lieben es, sich Dinge erklären zu lassen und profitieren von Diskussionen und Gesprächen. Sie können sich Details besser merken, wenn sie diese gehört haben. Auditive Lerner nehmen Nuancen in der Stimme anderer Menschen wahr, was ihnen hilft, Emotionen und Absichten zu erkennen. Sie lernen effektiv durch Podcasts, Hörbücher und Diskussionen in der Gruppe.
Im Schulalltag kann man auditive Lerner unterstützen, indem man ihnen erlaubt, sich den Lernstoff laut vorzusagen oder sich gegenseitig zu erklären. Auch das Aufnehmen von Unterrichtsinhalten und das spätere Anhören kann sehr hilfreich sein.
Der kinästhetische Lerntyp: Bewegung und Aktivität
Kinästhetische Lerner lernen am besten durch Bewegung und Aktivität. Sie müssen Dinge anfassen, ausprobieren und selbst tun, um sie wirklich zu verstehen. Alyssa Draper, eine Lehrerin aus Tennessee, betont: „Dieser Lerntyp nutzt alle fünf Sinne – Sehen, Tasten, Schmecken, Riechen und Hören. Sie lieben es, ihren ganzen Körper einzusetzen und sind oft in Bewegung oder nehmen an praktischen Erfahrungen teil.“ Für diese Kinder ist es oft eine Herausforderung, still in der Klasse zu sitzen. Sie brauchen Möglichkeiten, sich zu bewegen und ihren Bewegungsdrang auszuleben. Sie lernen am besten durch Experimente, Rollenspiele und praktische Projekte. Kinästhetische Lerner verstehen komplexe Sachverhalte besser, wenn sie diese selbst nachbauen oder darstellen können.
Eine Mutter sagte einmal zu mir:
Kinder sind wie ein unbeschriebenes Blatt. Wir müssen ihnen nur die richtigen Stifte geben, damit sie ihre eigene Geschichte schreiben können.
Im Unterricht kann man kinästhetische Lerner fördern, indem man ihnen erlaubt, während des Lernens aufzustehen und sich zu bewegen oder ihnen spezielle Stühle zur Verfügung stellt, die Bewegung ermöglichen. Auch das Einbeziehen von praktischen Übungen und Experimenten in den Unterricht ist für diesen Lerntyp sehr wichtig.
Vater spielt Gitarre für sein Kind
Der taktile Lerntyp: Fühlen und Begreifen
Taktile Lerner lernen am besten durch das Anfassen und Manipulieren von Objekten. Sie müssen die Dinge berühren, um sie wirklich zu verstehen. Diese Kinder haben oft Schwierigkeiten, stillzusitzen und zuzuhören, wenn sie nichts in den Händen halten können. Sie sind begabte Künstler und Handwerker und lieben es, mit Ton zu arbeiten oder komplexe Strukturen mit Bauklötzen zu bauen. Sie genießen wissenschaftliche Experimente und handwerkliche Tätigkeiten, bei denen sie ihre Hände einsetzen können. Taktile Lerner brauchen die Möglichkeit, den Lernstoff zu „begreifen“. Sie lernen effektiv durch Modelle, Simulationen und praktische Übungen, bei denen sie ihre Hände einsetzen können.
Diese Kinder haben oft einen ausgeprägten Sinn für Details und eine hohe Feinmotorik. Sie können komplexe Zusammenhänge besser verstehen, wenn sie diese selbst nachbauen oder auseinandernehmen können.
Der visuelle Lerntyp: Sehen und Beobachten
Visuelle Lerner lernen am besten durch Sehen und Lesen. Schriftliche Anweisungen oder visuelle Bilder unterstützen ihr Lernen. Videoanleitungen können sehr hilfreich sein, und sie vergessen mündliche Anweisungen möglicherweise leicht, wenn keine visuellen Hinweise oder Erinnerungen vorhanden sind. Kinder, die visuell lernen, haben oft ein starkes räumliches Vorstellungsvermögen und können Informationen oder Konzepte gut visualisieren. Sie machen sich oft Notizen, schreiben Wörter um, unterstreichen, verwenden verschiedene Farben und Textmarker. Visuelle Lerner profitieren von Diagrammen, Grafiken, Tabellen und Mindmaps. Sie können sich Informationen besser merken, wenn sie diese in visueller Form dargestellt sehen.
Visuelle Lerner haben oft eine Vorliebe für Kunst und Design. Sie können sich gut an Gesichter und Orte erinnern und haben ein Auge für Details. Sie lernen effektiv durch Bilder, Videos, Diagramme und schriftliche Anweisungen.
Im Schulalltag kann man visuelle Lerner unterstützen, indem man den Unterricht mit vielen visuellen Elementen gestaltet. Auch das Anfertigen von Notizen und das Markieren wichtiger Informationen im Text hilft diesem Lerntyp, den Stoff besser zu verarbeiten.
Den individuellen Lernstil erkennen: Beobachten und Zuhören
Der beste Weg, um den Lernstil Ihres Kindes zu ermitteln, ist die Beobachtung. Achten Sie genau darauf, wie es spielt, lernt und mit der Welt interagiert. Beobachten Sie Ihr Kind vor allem in unstrukturierten Situationen, in denen es selbst entscheiden kann, was es tun möchte und wie es dies tun möchte. Achten Sie darauf, welche Aktivitäten Ihrem Kind besonders leichtfallen und welche ihm schwerer fallen. Ein Kind, das Schwierigkeiten hat, mündlichen Anweisungen zu folgen, ist möglicherweise ein visueller Lerner, während ein Kind, dem es schwerfällt, still im Klassenzimmer zu sitzen, möglicherweise ein kinästhetischer Lerner ist.
Es ist wichtig zu betonen, dass alle Kinder durch verschiedene Medien lernen können, aber die Art und Weise, wie sie bevorzugt lernen, ist ihr primärer Lernstil. Es ist auch möglich, dass ein Kind Elemente aus mehreren Lernstilen in sich vereint.
Den Lernstil des Kindes unterstützen: Tipps für den Alltag
Wenn Sie den Lernstil Ihres Kindes kennen, können Sie es gezielt unterstützen. Hier sind einige Tipps für die einzelnen Lernstile:
- Für auditive Lerner:
- Hörbücher und Podcasts anbieten
- Gemeinsam Musik hören und darüber sprechen
- Gespräche und Diskussionen fördern
- Lerninhalte laut vorlesen lassen
- Für kinästhetische Lerner:
- Bewegungspausen beim Lernen einlegen
- Lerninhalte durch Rollenspiele oder Experimente vermitteln
- Kreative Projekte fördern, bei denen das Kind seine Hände einsetzen kann
- Sportliche Aktivitäten unterstützen
- Für taktile Lerner:
- Materialien zum Anfassen und Ausprobieren bereitstellen
- Kneten, Basteln und Handwerken fördern
- Modelle und dreidimensionale Darstellungen verwenden
- Dem Kind erlauben, während des Lernens etwas in den Händen zu halten
- Für visuelle Lerner:
- Lerninhalte durch Bilder, Videos und Diagramme veranschaulichen
- Mindmaps und Notizen erstellen lassen
- Bücher mit vielen Illustrationen anbieten
- Dem Kind erlauben, während des Lernens zu zeichnen oder zu malen
Wichtige Hinweise für Eltern
Es ist wichtig zu wissen, dass Lernstile nicht exklusiv sind. Es ist durchaus möglich, dass Ihr Kind mehr als einem Stil entspricht. Es kann auch sein, dass ein Kind einen oder zwei primäre Lernstile hat und einen Lernstil hat, der seine größte Schwäche ist. „Oft zeigen Kinder die Fähigkeit, in mehreren Formen zu lernen“, sagt Bertuzzi.
Lernstile können sich im Laufe der Zeit ändern. Die meisten kleinen Kinder sind taktile Lerner, da dies ihrem Entwicklungsstand entspricht. In den frühen Jahren liegt der Schwerpunkt hauptsächlich auf der Entwicklung der Grob- und Feinmotorik. Mit zunehmendem Alter kann ein Kind eher zu einem visuellen oder auditiven Lerner werden. Einige bevorzugen jedoch weiterhin einen praktischen Ansatz.
Denken Sie daran, dass der Lernstil Ihres Kindes nicht die einzige Möglichkeit ist, wie es lernen kann. Das Wissen um den primären Lernstil ist ein hilfreiches Werkzeug, aber das Kind sollte einer Vielzahl von Lernmethoden ausgesetzt werden. Jedes Kind ist einzigartig, und der Lernstil ist nur ein Teil des großen Ganzen, wie es lernt.
Fazit
Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Lernstilen und die Beobachtung des eigenen Kindes im Lernprozess sind wertvolle Investitionen in seine Zukunft. Indem man seine Stärken erkennt und ihm eine Lernumgebung bietet, die seinen Bedürfnissen entspricht, kann man ihm helfen, sein volles Potenzial auszuschöpfen und die Freude am Lernen zu entdecken oder wiederzuentdecken. Es ist ein Prozess des Ausprobierens, Beobachtens und Anpassens, der letztendlich dazu beiträgt, dass das Kind selbstbewusst und erfolgreich seinen eigenen Lernweg gehen kann. Es geht darum, dem Kind die Werkzeuge an die Hand zu geben, die es benötigt, um sich die Welt auf seine eigene, individuelle Weise zu erschließen.
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