Die kindliche Neugier ist unersättlich, besonders wenn es um den eigenen Körper und die großen Fragen des Lebens geht. „Woher kommen Babys?“ ist wohl eine der häufigsten Fragen, die Eltern von ihren sechs- bis zwölfjährigen Kindern gestellt bekommen. Doch wie viel wissen Kinder wirklich über Liebe und Sexualität, und wie offen sprechen Eltern mit ihnen über diese wichtigen Themen? Eine aktuelle Studie gibt aufschlussreiche Antworten.
Tabuthema Aufklärung?
Im Auftrag von ELTERN FAMILY hat das Forschungsinstitut Iconkids & Youth eine repräsentative Umfrage unter 742 Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren sowie deren Müttern durchgeführt. Ziel war es, herauszufinden, wie es um die Aufklärung in deutschen Familien steht. Die Ergebnisse sind überraschend und zeigen, dass es noch viel Gesprächsbedarf gibt.
Eines der ersten Ergebnisse der Studie war, wie kreativ Kinder bei der Benennung ihrer Geschlechtsteile sind. Von „Schnecke“ über „Brötchen“ bis hin zu „Pizi“ – die Fantasie kennt keine Grenzen. Bei den Jungen waren es Begriffe wie „Pilli“, „Schnippel“ oder „Pimpun“. Diese spielerische Herangehensweise steht jedoch im Kontrast zur Schwierigkeit, die viele Eltern haben, offen über Sexualität zu sprechen. Ein großer Teil der befragten Mütter gab an, dass es ihnen nicht leichtfällt, Gespräche über Aufklärung und Sexualität mit ihrem Kind zu führen.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Psychologin Elisabeth Raffauf erklärt: „Eltern müssen da etwas Paradoxes tun: Im Grunde ist Sexualität zwischen ihnen und ihren Kindern tabu – schon weil unbewusst das Thema Inzest mitschwingt. Gleichzeitig sind Eltern die engsten Bezugspersonen des Kindes und haben – wenn es gut läuft – ein Vertrauensverhältnis zu ihm. Dieser Zwiespalt verunsichert viele Mütter und Väter.“ Diese Unsicherheit überträgt sich oft auf die Kinder, die ebenfalls Hemmungen haben, Fragen zu stellen.
Auch die Kinder selbst gaben in der Studie an, dass es ihnen nicht immer leichtfällt, über ihren Körper oder Sex zu sprechen. Viele empfinden es als peinlich oder scheuen sich, bestimmte Wörter auszusprechen. Gerade jüngere Mädchen im Alter von sechs bis sieben Jahren haben oft Schwierigkeiten mit Begriffen wie „Scheide“ oder „Busen“.
Intimer Moment der Vorfreude in der Schwangerschaft
„Frag mal Mami“ – Die Rolle der Väter
Ein weiteres interessantes Ergebnis der Studie ist die Rollenverteilung bei der Aufklärung. Offenbar ist es immer noch so, dass hauptsächlich die Mütter diese Aufgabe übernehmen. Viele Väter halten sich raus und überlassen das Feld ihren Partnerinnen. Auch die Kinder selbst bevorzugen es, mit ihrer Mutter über Sexualität und Liebe zu sprechen. Allerdings zeigt die Studie auch, dass gerade in der Grundschulphase, in der die meisten Väter das Gespräch scheuen, die Bereitschaft der Kinder, mit Papa über Aufklärungsthemen zu sprechen, größer ist als bei den älteren Kindern.
Es scheint, als würden Väter hier eine wichtige Chance verpassen. Denn gerade in jungen Jahren sind Kinder oft offener und unbefangener, wenn es um Fragen rund um den Körper und die Liebe geht. Hier könnten Väter eine wertvolle Rolle spielen, indem sie ihren Kindern zeigen, dass auch sie Ansprechpartner für diese Themen sind.
Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass es in vielen Familien noch Verbesserungsbedarf bei der Aufklärung gibt. Es ist wichtig, dass Eltern ihren Kindern einen offenen und ehrlichen Umgang mit Sexualität und Liebe vermitteln. Nur so können Kinder ein gesundes Verhältnis zu ihrem Körper und ihren Gefühlen entwickeln.
„Wertschätzung schützt besser als Angst. Wenn Kinder also auf liebevolle Weise erfahren, wie großartig ihr Körper ist, werden sie ihn intuitiv schützen wollen.“
Was Kinder wirklich wissen wollen
Die Studie zeigt auch, dass sich die Interessen der Kinder je nach Altersgruppe unterscheiden. Während sich die Jüngeren vor allem dafür interessieren, wie Babys entstehen, rücken bei den Älteren der eigene Körper und die Liebe in den Mittelpunkt.
Die Sechs- bis Siebenjährigen sind vor allem daran interessiert, wie das Leben einmal begonnen hat. „Dabei geht es weniger um die Beschreibung von Sex als vielmehr darum, wie sie im Bauch der Mutter herangewachsen sind“, erklärt Psychologin Elisabeth Raffauf. „Details über Zeugung selbst interessieren sie oft nur an der Oberfläche.“ Die Top-Antworten dieser Altersgruppe zum Thema „Über welche Dinge würdest du gerne noch mehr wissen?“ beziehen sich daher weniger auf die Sexualität, als auf die Frage, woher die Babys kommen:
- Wie kommen die Babys in den Bauch?
- Wie wachsen die Babys im Bauch?
- Wie kommen die Babys aus dem Bauch wieder raus?
Die Acht- bis Neunjährigen sind neugierig und staunend. In diesem Alter rücken der eigene Körper und seine Veränderungen in den Mittelpunkt des Interesses. Auch die Gefühle, die Liebe werden jetzt interessanter. Bei der Beantwortung von Aufklärungsfragen sollten Eltern mit Bildern und positiven Gefühlen arbeiten, das klappt in diesem Alter besonders gut, rät Ärztin Dr. Elisabeth Raith-Paula, die Aufklärungs-Workshops für Eltern und Kinder leitet. „Wir nennen den Muttermund zum Beispiel auch ‚Das Tor zum Leben‘. Das Wunderbare daran: Wer solche Bilder mit seinem Körper und mit Sexualität verknüpft, wird mit beidem sorgsam umgehen.“
Die beiden Top-Antworten der Acht- bis Neunjährigen zum Thema „Über welche Dinge würdest du gerne noch mehr wissen?“, sind:
- Wie sich der Körper verändert
- Was Liebe ist
Die Zehn- bis Zwölfjährigen wollen wissen, wie Sex funktioniert. „Noch mehr Sex und Liebe erfahren“ – das ist das größte Thema bei Zehn- bis Zwölfjährigen, wenn es um die Frage „Über welche Dinge würdest du gerne noch mehr wissen?“ geht. Dr. Elisabeth Raith-Paula: „Mädchen und Jungen haben eine natürliche Wissbegier und möchten verstehen, was jetzt in Ihnen vor sich geht. Aber wir nutzen diese Chance nur teilweise. Zum Beispiel stehen im Sexualkundeunterricht auch heute noch oft Ängste im Vordergrund. Dabei schützt Wertschätzung besser als Angst. Wenn Kinder also auf liebevolle Weise erfahren, wie großartig ihr Körper ist, werden sie ihn intuitiv schützen wollen.“
Die Top-Antworten der Zehn- bis Zwölfjährigen zum Thema „Über welche Dinge würdest du gerne noch mehr wissen?“ sind:
- Wie Sex funktioniert
- Was Liebe bedeutet
- Wie man sich verliebt
Es ist wichtig, dass Eltern auf diese Bedürfnisse eingehen und ihren Kindern altersgerechte Informationen liefern. Dabei sollten sie nicht nur Fakten vermitteln, sondern auch ein positives Körpergefühl und eine wertschätzende Haltung gegenüber Sexualität und Liebe fördern.
Fazit
Die Studie zeigt, dass Aufklärung ein wichtiges Thema ist, das in vielen Familien noch zu kurz kommt. Eltern sollten sich bewusst machen, dass ihre Kinder neugierig sind und Fragen haben. Es ist wichtig, eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, in der Kinder sich trauen, ihre Fragen zu stellen. Dabei sollten Eltern auf die individuellen Bedürfnisse und das Alter ihrer Kinder eingehen und ihnen altersgerechte Informationen liefern. Eine wertschätzende und positive Haltung gegenüber dem eigenen Körper, Sexualität und Liebe ist dabei von großer Bedeutung. Nur so können Kinder ein gesundes Verhältnis zu sich selbst und ihren Mitmenschen entwickeln.
Eltern.de