Nachhilfe in den Ferien: Sinnvoll oder zu viel des Guten?

Die Osterferien stehen vor der Tür, eine Zeit, die von Kindern sehnsüchtig erwartet wird. Doch für viele bedeutet diese vermeintliche Auszeit vom Schulalltag nicht Erholung und Spiel, sondern zusätzliche Paukeinheiten in Form von Nachhilfe. Eine Entwicklung, die nicht nur bei Pädagogen Stirnrunzeln verursacht, sondern auch viele Eltern vor die Frage stellt: Ist das wirklich der richtige Weg?

Der Nachhilfe-Boom in den Ferien

Es ist ein Trend, der sich seit Jahren verstärkt: Immer mehr Schüler verbringen ihre Ferien nicht mit Freizeitaktivitäten, sondern mit dem Stopfen von Wissenslücken. Nachhilfeinstitute boomen, und das nicht nur während des Schuljahres, sondern auch in den Ferien. Angela Schüttpelz, Betreiberin mehrerer Nachhilfeschulen, berichtet von einer gestiegenen Nachfrage, die sie dazu veranlasst hat, die Anzahl ihrer Ferienkurse zu vervielfachen. Hier werden Schüler eine Woche lang täglich drei Stunden unterrichtet. Klingt anstrengend? Ist es auch. Aber, so Schüttpelz, ohne eine gewisse Belastung gäbe es eben keinen Erfolg.

Die Teilnehmer dieser Kurse sind längst nicht mehr nur die vermeintlich „leistungsschwachen“ Schüler. Viele von ihnen haben Noten zwischen Zwei und Vier. Das verdeutlicht einen enormen Leistungsdruck, der auf den jungen Menschen lastet. Ein Druck, der nicht selten von den Eltern ausgeht, die ihren Kindern die bestmögliche Bildung zukommen lassen wollen. Und so wird die freie Zeit geopfert, um den Notenschnitt zu verbessern und den Anforderungen des Schulsystems gerecht zu werden.

Auch Wulf Pirk vom Erfurter Heureka-Förderinstitut bestätigt diesen Trend. Gerade ältere Schüler, die kurz vor ihren Prüfungen stehen, nutzen die Ferien, um sich noch einmal intensiv vorzubereiten. Die Angst vor dem Scheitern, der Wunsch nach Erfolg – all das führt dazu, dass die freie Zeit der Kinder und Jugendlichen immer mehr dem Lernen geopfert wird.

Ein Kind sitzt mit Büchern am Tisch

Zeit für Bildung – nicht nur in den Ferien

Die Bertelsmann-Stiftung hat in einer Studie aus dem Jahr 2009 ermittelt, dass in Thüringen durchschnittlich 80 Euro pro Schüler und Jahr für Nachhilfe ausgegeben werden. Im Jahr 2007 nahmen demnach 11,8 Prozent der Schüler an weiterführenden Schulen und 5,1 Prozent der Grundschüler kommerzielle Nachhilfe in Anspruch. Zahlen, die verdeutlichen, wie tief die Nachhilfe bereits in unserem Bildungssystem verwurzelt ist.

Die Kritik der Lehrerverbände

Doch nicht alle sehen diese Entwicklung positiv. Der Thüringer Lehrerverband kritisiert die zunehmende Inanspruchnahme von Nachhilfeunterricht in den Ferien. Rolf Busch, der Landesvorsitzende des Verbandes, betont, dass Ferien der Erholung dienen sollen. Kinder und Jugendliche bräuchten ausreichend Pausen, um sich von den Anstrengungen des Schulalltags zu erholen. Die zunehmende Lernbelastung in den Ferien raube den Schülern einen Teil ihrer Kindheit.

Der Lehrerverband sieht in der Zunahme der Nachhilfe ein Armutszeugnis für den Staat. Seiner Meinung nach sollte der Staat durch Reformen und Investitionen dafür sorgen, dass Schulen über genügend Ressourcen und Personal verfügen, um eine individuelle Förderung der Schüler zu gewährleisten. Mehr Lehrer, Schulpsychologen und Sozialarbeiter könnten dazu beitragen, den Bedarf an Nachhilfe zu reduzieren.

Viele Eltern hätten inzwischen akzeptiert, für bessere Bildung Geld an private Dienstleister zu bezahlen. „Das sorgt aber für eine soziale Schieflage“, sagt Busch. Nicht jede Familie könne sich kostenpflichtigen Privatunterricht leisten. „Weil der Zugang zum Arbeitsmarkt schwieriger wird, verschärft sich die Situation noch“ fügte Busch hinzu. Dass der Staat teilweise finanziell schwachen Familien Nachhilfestunden bezahle, sei absurd und verbessere die Situation nicht.

Die Ferien sind für die Erholung von der Schulzeit da. Die Schüler sollen Kinder und Jugendliche sein dürfen – da gehören auch ausreichend Pausen dazu.

Hier schwingt die Frage mit, ob Bildung nicht eigentlich eine Aufgabe des Staates sein sollte und ob es gerecht ist, dass der Bildungserfolg von Kindern zunehmend vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Eine Frage, die in unserer Gesellschaft immer wieder neu diskutiert wird.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Nachhilfe in den Ferien oft als reine Prüfungsvorbereitung genutzt wird. Es geht weniger darum, Wissenslücken nachhaltig zu schließen, sondern vielmehr darum, kurzfristig den Anforderungen von Prüfungen und weiterführenden Schulen gerecht zu werden. Rolf Busch vom Lehrerverband betont, dass Nachhilfe nur dann sinnvoll sei, wenn jemand aufgrund einer längeren Krankheit Nachholbedarf hat. Ansonsten müssten die Schulen in der Lage sein, eine individuelle und ausreichende Förderung zu gewährleisten.

Die Sicht der Nachhilfeinstitute

Interessanterweise sehen auch einige Betreiber von Nachhilfeinstituten die Entwicklung kritisch. Angela Schüttpelz beispielsweise sagt, dass sie glücklich darüber wäre, wenn Nachhilfe überflüssig wäre und sich die Schulen ausreichend um die Schüler kümmern könnten. Eine Aussage, die zeigt, dass auch in der Nachhilfebranche nicht alle nur auf den eigenen Profit aus sind, sondern sich Gedanken über die Ursachen und Folgen des Nachhilfe-Booms machen.

Es stellt sich die Frage, warum so viele Schüler überhaupt Nachhilfe benötigen. Liegt es am Schulsystem, das zu wenig auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler eingeht? Sind die Klassen zu groß, sodass die Lehrer nicht genügend Zeit haben, sich um jeden einzelnen Schüler zu kümmern? Oder liegt es an den Eltern, die zu hohe Erwartungen an ihre Kinder haben und sie zu sehr unter Druck setzen?

Alternativen zur Nachhilfe in den Ferien

Was also tun? Wie können Eltern ihren Kindern helfen, ohne sie in den Ferien zusätzlich zu belasten? Hier einige Anregungen:

  • Gespräche mit den Lehrern suchen: Klären Sie, wo die Schwierigkeiten liegen und welche Unterstützung die Schule anbieten kann.
  • Lerngruppen bilden: Gemeinsam mit anderen Schülern lernen macht oft mehr Spaß und ist effektiver.
  • Individuelle Förderung zu Hause: Nehmen Sie sich Zeit, um mit Ihrem Kind zu lernen und ihm bei den Hausaufgaben zu helfen.
  • Förderangebote der Schule nutzen: Viele Schulen bieten zusätzliche Förderkurse oder Hausaufgabenbetreuung an.
  • Auf die Stärken des Kindes konzentrieren: Fördern Sie die Talente und Interessen Ihres Kindes, um sein Selbstvertrauen zu stärken.
  • Für ausreichend Erholung sorgen: Achten Sie darauf, dass Ihr Kind in den Ferien genügend Zeit zum Spielen, Entspannen und für Hobbys hat.

Es ist wichtig, dass Eltern und Lehrer gemeinsam daran arbeiten, dass Kinder und Jugendliche nicht das Gefühl haben, ständig lernen zu müssen. Ferien sollten eine Zeit der Erholung und Entspannung sein, in der die Kinder ihre Batterien aufladen können, um mit neuer Energie in den Schulalltag zu starten.

Fazit: Brauchen unsere Kinder wirklich Nachhilfe in den Ferien?

Die Frage, ob Nachhilfe in den Ferien sinnvoll ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Es hängt von den individuellen Bedürfnissen des Kindes, den Ursachen für den Lernbedarf und den Alternativen ab, die zur Verfügung stehen. Wichtig ist, dass Eltern und Lehrer gemeinsam entscheiden, was das Beste für das Kind ist und dass die Ferien nicht zu einer zusätzlichen Belastung werden. Denn am Ende geht es darum, dass Kinder und Jugendliche ihre Kindheit genießen und sich zu selbstbewussten und glücklichen Menschen entwickeln können.

Die Diskussion um Nachhilfe in den Ferien zeigt, dass unser Bildungssystem an vielen Stellen verbessert werden muss. Es braucht mehr individuelle Förderung, mehr Ressourcen für die Schulen und weniger Leistungsdruck. Nur so können wir sicherstellen, dass alle Kinder die gleichen Chancen auf Bildung und Erfolg haben – und dass die Ferien eine Zeit der Erholung und Entspannung bleiben.

QUELLEN

Eltern.de

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