Es ist Montagmorgen, 6:30 Uhr. Der Wecker klingelt. Nicht für mich, sondern für meinen Mann. Er muss ins Büro, endlich wieder. Aber das bedeutet auch: Ich bin allein. Allein mit drei Kindern, dem Haushalt und dem Berg an Aufgaben, der sich seit Freitagabend aufgetürmt hat. Und dann ist da noch die Sache mit der Schule. Wechselunterricht. Ein Wort, das bei mir mittlerweile Brechreiz auslöst.
Der ganz normale Wahnsinn
Kennen Sie das Gefühl, wenn Sie das Gefühl haben, Sie jonglieren mit zu vielen Bällen gleichzeitig und einer fällt garantiert runter? Genau so fühlt sich mein Leben im Moment an. Wechselunterricht bedeutet bei uns: Jeden Tag ein neues Programm. Kind A hat heute Schule, Kind B und C nicht. Morgen ist es umgekehrt. Und übermorgen? Wer weiß das schon! Die Stundenpläne sind ein einziges Durcheinander, die Testpflichten ein Albtraum und die Betreuung eine logistische Meisterleistung. Von den Lerninhalten ganz zu schweigen. Ich bin weder Lehrerin noch Pädagogin, aber ich soll meinen Kindern den Stoff beibringen, den sie in der Schule verpassen. Und das alles neben meinem Job, dem Haushalt und dem ganz normalen Wahnsinn, der sich Familienleben nennt.
Ich erinnere mich an eine Freundin, die neulich sagte: „Sei doch froh, dass deine Kinder überhaupt in die Schule dürfen!“ Ja, natürlich bin ich froh. Aber dieses „Glück“ fühlt sich oft wie eine Strafe an. Eine Strafe für etwas, das ich nicht getan habe. Eine Strafe für alle Mütter, die versuchen, alles unter einen Hut zu bekommen und dabei selbst auf der Strecke bleiben.
Wechselunterricht- Alltag: Eine Familie überquert gemeinsam den Zebrastreifen, Symbol für den täglichen Schulweg.
Und was ist mit den Kindern? Die leiden doch auch unter dieser Situation. Keine festen Strukturen, keine Freunde, keine gemeinsamen Erlebnisse. Stattdessen: Homeschooling, Isolation und Frust. Mein Sohn sagte neulich zu mir: „Mama, ich hasse Schule!“ Das hat mir das Herz gebrochen. Denn Schule sollte doch ein Ort sein, an dem man lernt, Freunde findet und Spaß hat. Aber im Moment ist es nur ein Ort des Stresses und der Überforderung.
Ich weiß, dass ich nicht allein bin mit diesem Problem. Viele Mütter da draußen kämpfen mit den gleichen Herausforderungen. Wir sind keine Superheldinnen, wir sind nur Mütter, die versuchen, ihr Bestes zu geben. Aber irgendwann sind auch wir am Ende unserer Kräfte.
Die Illusion von Ordnung
Wechselunterricht – ein Begriff, der Ordnung und Struktur suggeriert. Doch in der Realität ist es das pure Chaos, besonders in Familien mit mehreren Kindern. Jeder Tag gleicht einem Balanceakt, bei dem man versucht, die Bedürfnisse aller unter einen Hut zu bringen. Der Jüngste hat alle zwei Tage Unterricht, allerdings erst ab 9 Uhr. Das mittlere Kind hat glücklicherweise an denselben Tagen Schule, jedoch schon ab 8 Uhr. Und das älteste Kind? Eine Woche Schule, eine Woche Pause – ein Rhythmus, der jegliche Planung zunichtemacht. Dazu kommen die täglichen Corona-Tests, die bis zu einer bestimmten Uhrzeit an die Lehrer gemeldet werden müssen. Ein bürokratischer Albtraum, der zusätzlich Zeit und Nerven kostet. Und das alles seit Monaten, ohne Aussicht auf Besserung.
Es ist ein Teufelskreis aus Organisation, Koordination und Improvisation. Man fühlt sich wie eine Managerin, die ein Unternehmen leitet – nur dass die Mitarbeiter unberechenbar sind und die Produkte ständig neue Anforderungen stellen. Und während man versucht, den Laden am Laufen zu halten, bleibt man selbst auf der Strecke. Die eigenen Bedürfnisse, die eigenen Träume – alles wird dem Familienwohl untergeordnet. Aber ist das wirklich der richtige Weg? Dürfen wir uns nicht auch mal eine Auszeit nehmen, um neue Kraft zu tanken? Dürfen wir nicht auch mal an uns selbst denken, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben?
„Das Wechselmodell war eine Notlösung, ein Provisorium. Das war ok für kurze Zeit. Aber es darf nicht zum neuen Alltag werden, das darf es wirklich nicht, denn es treibt Familien in den Wahnsinn, nimmt Kindern Freude an der Schule und mindestens einem Elternteil die Möglichkeit, arbeiten zu gehen.“
Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir Mütter uns zusammentun und unsere Stimme erheben. Wir müssen den Verantwortlichen klarmachen, dass das Wechselmodell keine Dauerlösung sein kann. Wir brauchen verlässliche Strukturen, eine faire Aufteilung der Aufgaben und vor allem: mehr Unterstützung. Denn nur so können wir unseren Kindern eine gute Zukunft ermöglichen und gleichzeitig unsere eigene Gesundheit und unser Wohlbefinden erhalten.
Wo bleibt die Freude am Lernen?
Doch es fehlt nicht nur an Struktur, sondern auch an allem, was Schule eigentlich ausmacht: Spaß, Gemeinschaft, Erlebnisse. Zirkusprojekte, Schulübernachtungen, Sportunterricht – alles abgesagt. Schwimmen? Fehlanzeige! Gemeinsames Singen? Undenkbar! Die Liste der Einschränkungen ist endlos lang. Was bleibt, ist eine Farce des eigentlichen Schulalltags, reduziert auf das Notwendigste. Aber ist das wirklich genug? Reicht es, den Kindern nur das Nötigste zu vermitteln, während die Freude am Lernen und die soziale Interaktion auf der Strecke bleiben? Ich glaube nicht.
Die Kinder brauchen mehr als nur trockenen Stoff. Sie brauchen Anregung, Inspiration und vor allem: positive Erlebnisse. Sie brauchen das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein, in der sie sich wohlfühlen und entfalten können. Aber wie soll das gehen, wenn sie ständig zwischen Homeschooling und Präsenzunterricht hin- und hergerissen werden? Wie sollen sie Freundschaften knüpfen, wenn sie kaum Zeit miteinander verbringen können? Und wie sollen sie Spaß am Lernen haben, wenn sie ständig mit Tests und Aufgaben überfordert sind?
Ich bin keine Corona-Leugnerin, ich zweifle nicht an der Notwendigkeit von Masken und Tests. Aber ich weigere mich, das Wechselmodell als Dauerlösung zu akzeptieren. Während in anderen Bereichen des Lebens Normalität einkehrt, werden die Familien weiterhin im Stich gelassen. Menschen sitzen ohne Tests nebeneinander im ICE, die Gastronomie öffnet wieder, und Urlaubsreisen sind wieder möglich. Aber die Schulen? Sie bleiben im Ausnahmezustand. Gibt es wirklich keine anderen Lösungen? Könnte man nicht die großzügigen Außenbereiche der Schulen nutzen, um den Unterricht im Freien abzuhalten? Oder kleinere Gruppen bilden, um den Kontakt zu minimieren? Es muss doch möglich sein, einen verlässlichen Unterricht zu gewährleisten, der den Bedürfnissen der Kinder und der Familien gerecht wird.
Die Realität sieht anders aus
Diejenigen, die das Wechselmodell als zumutbare Alternative zur Schulschließung ansehen, haben wahrscheinlich noch nie eine Woche in einer Familie mit mehreren Kindern verbracht. Sie haben nie zehn Teller in Scherben aufgefegt, während ein Baby schreit, ein Erstklässler über einer Matheaufgabe verzweifelt und ein Teenager wütend die Tür zuknallt. Sie haben noch nie gleichzeitig Brotdosen gepackt, Tests beaufsichtigt, E-Mails an Lehrer geschrieben und Masken im Schulranzen kontrolliert. Und sie haben noch nie versucht, mit einem Baby im Schlepptau zwei Kinder zu unterschiedlichen Zeiten zur Schule zu bringen, um dann mit dem dritten Kind Spanisch und Chemie zu lernen.
So sollte Familie nicht sein! So darf Familie nicht sein! Das Wechselmodell ist eine Zumutung, die Familien an ihre Grenzen bringt. Es nimmt den Kindern die Freude am Lernen und den Eltern die Möglichkeit, ein normales Leben zu führen. Es ist an der Zeit, dass wir uns dagegen wehren und eine bessere Lösung fordern. Eine Lösung, die den Bedürfnissen aller gerecht wird und uns endlich wieder ein Stück Normalität zurückgibt.
Fazit: Es reicht!
Das Wechselmodell, als vermeintliche Lösung für den Schulalltag in Zeiten der Pandemie, hat sich für viele Familien als unzumutbare Belastung herausgestellt. Es fehlt an Struktur, die Kinder leiden unter dem fehlenden sozialen Kontakt und der fehlenden Freude am Lernen, und die Eltern, insbesondere Mütter, sind oft am Rande ihrer Kräfte. Die Illusion von Ordnung und Organisation, die der Begriff „Wechselunterricht“ vermittelt, zerbricht in der Realität des Familienalltags. Es ist an der Zeit, dass Politik und Gesellschaft die Bedürfnisse der Familien ernst nehmen und nach tragfähigen Lösungen suchen, die den Kindern eine gute Bildung ermöglichen, ohne die Eltern zu überlasten. Nur so kann ein Stück Normalität in den Familienalltag zurückkehren und die Freude am Lernen wiederentdeckt werden.
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