Der Schulalltag – ein Mikrokosmos voller Entdeckungen, Freundschaften und Herausforderungen. Für unsere Kinder ist es ein Sprung in eine Welt außerhalb der vertrauten vier Wände. Hier formen sie ihre Persönlichkeit, knüpfen soziale Kontakte und sammeln unzählige Erfahrungen. Doch wie gelingt es uns, als Mütter, an diesem wichtigen Teil ihres Lebens teilzuhaben, ohne dabei aufdringlich zu sein? Wie können wir eine Brücke bauen, die es unseren Kindern ermöglicht, sich uns gegenüber zu öffnen und von ihren Erlebnissen zu erzählen?
Die Kunst des Zuhörens: Mehr als nur ein „Wie war dein Tag?“
Wir alle kennen die frustrierende Situation: Nach einem langen Schultag fragen wir voller Neugierde: „Wie war dein Tag?“, nur um ein knappes „Gut“ oder „Okay“ zu ernten. Doch hinter dieser wortkargen Fassade verbirgt sich oft eine Fülle von Geschichten, Emotionen und Eindrücken, die darauf warten, entdeckt zu werden. Der Schlüssel liegt darin, die richtigen Fragen zu stellen – Fragen, die Neugier wecken, zum Nachdenken anregen und eine offene Kommunikation fördern. Anstatt nach dem großen Ganzen zu fragen, sollten wir uns auf konkrete Details konzentrieren, auf die kleinen Momente, die den Schulalltag ausmachen.
Erinnert ihr euch an eure eigene Schulzeit? An den Geruch der Turnhalle, das Kichern in der Pause, die Aufregung vor einer Klassenarbeit? Genau diese Erinnerungen können uns helfen, uns in die Gefühlswelt unserer Kinder hineinzuversetzen und eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen.
Spezifische Fragen für detaillierte Antworten
Dana Basu, eine erfahrene klinische Psychologin, rät dazu, die Fragen so spezifisch wie möglich zu formulieren. Offene Fragen wie „Wie war dein Tag?“ können Kinder überfordern und zu einer Art Blackout führen. Konzentriere dich stattdessen auf konkrete Aktivitäten oder Emotionen, die sie erlebt haben. „Ich liebe es, meinen Kindern spezifische Fragen über ihren Schultag zu stellen, was ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Momente lenkt“, erklärt Dr. Basu. „Ich finde, dass sie sich dadurch besser an Geschichten und Momente aus ihrem Tag erinnern können.“ Anstatt also zu fragen: „Wie war die Pause?“, frage doch mal: „Mit wem hast du in der Pause gespielt und was habt ihr gemacht?“ Oder anstatt „Habt ihr heute etwas Neues gelernt?“, frage: „Was war das Spannendste, das du heute gehört hast?“
Diese Art der Fragestellung hilft Kindern, sich an spezifische Details zu erinnern und ihre Gedanken und Gefühle besser auszudrücken. Es zeigt ihnen auch, dass du wirklich an ihrem Leben interessiert bist und nicht nur eine oberflächliche Antwort erwartest.
Es geht nicht darum, ein Verhör zu führen, sondern darum, eine Brücke zu bauen, die es unseren Kindern ermöglicht, sich uns gegenüber zu öffnen und von ihren Erlebnissen zu erzählen.
Fragen, die Kinder zum Reden bringen
Hier sind einige Beispiele für Fragen, die sich besonders gut für jüngere Kinder im Vorschul- und Grundschulalter eignen:
- Was hat dich heute zum Lachen gebracht?
- Mit wem hast du heute gespielt?
- Was war dein Lieblingsessen heute?
- Hast du heute jemandem geholfen?
- Was hast du Neues gelernt?
Für ältere Kinder und Jugendliche können die Fragen etwas anspruchsvoller sein:
- Was war die größte Herausforderung heute?
- Hast du dich heute mit jemandem besonders gut verstanden?
- Was war das Interessanteste, das du heute im Unterricht gelernt hast?
- Gab es heute eine Situation, in der du dich unwohl gefühlt hast?
- Was hast du heute über dich selbst gelernt?
Denke daran, dass es nicht darum geht, eine Checkliste abzuarbeiten, sondern ein echtes Gespräch zu führen. Sei aufmerksam, höre aktiv zu und stelle Folgefragen, um das Gespräch am Laufen zu halten.
Vorbild sein: Erzähle von deinem Tag
Kinder lernen durch Nachahmung. Wenn wir von ihnen erwarten, dass sie sich uns gegenüber öffnen, sollten wir auch bereit sein, uns ihnen gegenüber zu öffnen. Elizabeth Manly, eine ehemalige Grundschullehrerin, empfiehlt, das Gespräch zu beginnen, indem man selbst von seinem Tag erzählt. Sei dabei so konkret wie möglich und teile auch kleine Details mit, wie zum Beispiel, dass du deinen Kaffee vergessen hast oder dein Lieblingsstift kaputt gegangen ist. „Je mehr du ihnen erzählst, desto mehr werden sie verstehen, wie man über ihren Tag spricht“, sagt Manly. „Oftmals wissen jüngere Kinder nicht, wie sie über ihren Tag sprechen sollen. Wir vergessen, dass dies auch eine Fähigkeit ist, die gelehrt werden muss.“
Indem wir unsere eigenen Erfahrungen teilen, zeigen wir unseren Kindern, dass es in Ordnung ist, über Gefühle und Erlebnisse zu sprechen. Wir schaffen eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit, in der sie sich sicher fühlen, ihre eigenen Geschichten zu erzählen.
Gespräch am Sofa
Verbinden statt Fragen: Die Kraft der nonverbalen Kommunikation
Elle Kwan, von Hand in Hand Parenting, schlägt einen etwas anderen Ansatz vor: „Frag erstmal gar nichts.“ Das mag zunächst kontraintuitiv erscheinen, aber es macht Sinn, wenn man bedenkt, was Kinder nach einem langen Schultag wirklich brauchen. „Die Schule kann für Kinder anstrengend sein, selbst wenn es gut läuft“, erklärt Kwan. „Sie hören, sehen und tun so viele neue Dinge, alles ohne dich. Was sie fühlen wollen, wenn sie nach Hause kommen, ist Wärme und Sicherheit und zu wissen, dass du dich freust, dass sie zurück sind.“
Anstatt also mit Fragen zu bombardieren, nimm dir zuerst etwas Zeit, um dich mit deinem Kind zu verbinden. Biete ihm eine Umarmung oder ein High-Five an. Verbringe etwas Zeit damit, Witze zu machen und mit deinem Kind zu lachen, wenn es verspielt ist, oder renne mit ihm von der Schule nach Hause, um Spaß zu haben. Tue, was auch immer für dein Kind funktioniert, um ihm zu helfen, sich sicher, geerdet und zu Hause zu fühlen. Sobald es glücklich und ruhig ist, ist vielleicht der richtige Zeitpunkt, um ihm Fragen über seinen Tag zu stellen. Aber du musst die Bühne bereiten, sagt Kwan, und es sanft angehen.
Offene Fragen für tiefgründige Gespräche
Daniela Wolfe, eine Schulsozialarbeiterin mit 25 Jahren Erfahrung, weiß, wie schwierig es sein kann, Kinder – besonders ältere – dazu zu bringen, zu erzählen, wie ihr Tag war. „Ich würde wetten, dass man fast garantiert die Antwort ‚Gut‘ bekommt, wenn man ein Kind fragt: ‚Wie war dein Tag?'“, sagt Wolfe. „Das klingt zwar so, als ob alles in Ordnung wäre, aber es sagt einem eigentlich nichts und beendet das Gespräch.“ Wolfe empfiehlt daher, offene Fragen zu stellen, um Kinder zum Reden zu bringen, besonders wenn man sich detailliertere Antworten wünscht.
Indem wir offene Fragen stellen, geben wir unseren Kindern die Möglichkeit, ihre Gedanken und Gefühle frei auszudrücken. Wir zeigen ihnen, dass wir wirklich an ihrer Perspektive interessiert sind und nicht nur eine schnelle Antwort suchen.
Fragen ohne Augenkontakt: Ein Trick für schüchterne Kinder
Es mag seltsam klingen, aber Varda Meyers Epstein, eine Erziehungsexpertin, empfiehlt, Kinder nach ihrem Tag zu fragen, ohne dabei Augenkontakt herzustellen. Dies kann besonders für schüchterne oder zurückhaltende Kinder hilfreich sein, da es den sozialen Druck reduziert. „Mein Lieblingstrick, um Kinder zum Reden zu bringen, ist, keinen Augenkontakt herzustellen“, sagt Epstein. „Augenkontakt gibt Kindern das Gefühl, im Mittelpunkt zu stehen, also machen sie dicht und reagieren nicht auf dich.“
Wie könnte das aussehen? Epstein sagt, man kann das Gespräch mit seinen Kindern beginnen, wenn man ihnen den Rücken zukehrt. Versuche zum Beispiel, ein Gespräch mit ihnen zu beginnen, wenn du das Geschirr spülst und sie am Küchentisch sitzen und essen. Du kannst dies auch tun, während du Seite an Seite mit ihnen gehst oder während du im Auto fährst. Einige Kinder öffnen sich aus dem gleichen Grund sogar eher über Textnachrichten.
Das „High Low Buffalo“-Spiel: Spaß und Offenheit
Grace Poole, eine ehemalige Verhaltenstherapeutin, empfiehlt ein lustiges Spiel, das man mit seinen Kindern spielen kann, um sie zum Reden zu bringen. „Ich liebe das ‚High Low Buffalo‘-Spiel, um Kinder (oder eigentlich jeden) zum Reden zu bringen!“, sagt Poole. „Im Grunde geht man am Tisch herum und jeder erzählt von seinem Highlight des Tages, seinem Tiefpunkt des Tages und seinem ‚Buffalo‘ des Tages. Das ‚Buffalo‘ ist im Wesentlichen alles andere, was sie interessant oder zufällig fanden und erwähnen möchten.“ Mit diesem Spiel können alle mitmachen, auch Eltern und andere Geschwister. Und normalerweise dauern die Gespräche weit über die Spielzeit hinaus. Außerdem kann das konsequente Spielen des Spiels dazu führen, dass sich deine Familie daran gewöhnt, intimere Gefühle miteinander zu teilen.
Indem wir eine spielerische Atmosphäre schaffen, ermutigen wir unsere Kinder, sich auf eine entspannte und ungezwungene Weise zu öffnen. Das „High Low Buffalo“-Spiel ist eine tolle Möglichkeit, den Tag Revue passieren zu lassen und gleichzeitig die Kommunikation in der Familie zu fördern.
Wann professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden sollte
Wenn du den Eindruck hast, dass dein Kind in der Schule mit etwas zu kämpfen hat, musst du das nicht alleine bewältigen. Sprich mit den Lehrern deines Kindes, dem Schulpsychologen oder seinem Kinderarzt, besonders wenn es unglücklich wirkt oder Schwierigkeiten hat, seine Schularbeiten zu erledigen. Jedes Kind hat das Recht, gehört und verstanden zu werden, aber manche Kinder brauchen etwas mehr Hilfe, um dorthin zu gelangen. Es ist wichtig, sensibel für die Bedürfnisse unserer Kinder zu sein und ihnen die Unterstützung zu geben, die sie brauchen, um sich in der Schule wohlzufühlen und erfolgreich zu sein.
Manchmal sind die Probleme, mit denen unsere Kinder konfrontiert sind, tieferliegend und erfordern professionelle Hilfe. Scheue dich nicht, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn du das Gefühl hast, dass dein Kind sie braucht. Es ist ein Zeichen von Stärke, sich einzugestehen, dass man nicht alles alleine schaffen kann.
Fazit: Mehr als nur Fragen – eine liebevolle Verbindung
Die Kommunikation mit unseren Kindern über ihren Schulalltag ist mehr als nur das Stellen von Fragen. Es ist eine Möglichkeit, eine liebevolle Verbindung aufzubauen, Vertrauen zu schaffen und an ihrem Leben teilzuhaben. Indem wir spezifische Fragen stellen, von unserem eigenen Tag erzählen, nonverbale Kommunikation nutzen und spielerische Elemente einbeziehen, können wir unsere Kinder ermutigen, sich uns gegenüber zu öffnen und ihre Erfahrungen mit uns zu teilen. Und wenn wir den Eindruck haben, dass unser Kind mit etwas zu kämpfen hat, sollten wir nicht zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn am Ende des Tages ist das Wichtigste, dass unsere Kinder wissen, dass wir für sie da sind – egal was passiert.
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