Wählerisches Essverhalten bei Kindern: Genetik oder Erziehung?

Als berufstätige Mutter kennt man das: Der Tag ist lang, die To-Do-Liste endlos und dann kommt noch das Abendessen. Was auf den Tisch kommt, wird oft zur Zerreißprobe. Das Gemüse wird verschmäht, der Fisch angeekelt beiseite geschoben und am Ende landet doch wieder nur Pasta mit Tomatensoße im hungrigen Kindermund. Frustrierend, oder?

Die Genetik des wählerischen Essens

Eine neue Studie, durchgeführt von Forschern des University College London, King’s College London und der University of Leeds, könnte nun für etwas Erleichterung sorgen. Sie legt nahe, dass wählerisches Essverhalten bei Kindern nicht unbedingt auf Fehler in der Erziehung zurückzuführen ist, sondern vielmehr genetisch bedingt sein könnte. Die Forschungsergebnisse basieren auf der Analyse von Daten von über 4.800 britischen Zwillingspaaren, die im Jahr 2007 geboren wurden. Dabei wurde untersucht, inwiefern sich eineiige Zwillinge (die 100 % ihrer Gene teilen) und zweieiige Zwillinge (die etwa 50 % ihrer Gene teilen) im Hinblick auf ihr Essverhalten ähneln. Die Studie ergab, dass eineiige Zwillinge sich in ihren Vorlieben und Abneigungen beim Essen ähnlicher waren als zweieiige Zwillinge, was auf einen starken genetischen Einfluss hindeutet. Zeynep Nas, PhD, eine der Hauptautorinnen der Studie, betont: „Wir möchten betonen, dass das Verhalten nicht auf schlechte Erziehung zurückzuführen ist. Und Unterschiede, die wir zwischen Kindern in ihrem wählerischen Essverhalten sehen, können größtenteils auf genetische Unterschiede zwischen ihnen zurückzuführen sein.“

Diese Erkenntnis ist ein echter Gamechanger für viele Mütter. Endlich nicht mehr die Schuld bei sich suchen, wenn das Kind den Brokkoli verweigert! Stattdessen dürfen wir uns entspannt zurücklehnen und akzeptieren, dass manche Kinder einfach von Natur aus etwas wählerischer sind.

Dennoch ist es wichtig zu betonen, dass die Genetik nicht der einzige Faktor ist. Auch die Umwelt, in der ein Kind aufwächst, spielt eine Rolle – insbesondere im Kleinkindalter.

Der Einfluss der Umwelt

Die Studie betont, dass gemeinsame Umwelteinflüsse wie Mahlzeiten und die häusliche Umgebung nur in der frühen Kindheit eine signifikante Rolle spielen. Nicht-geteilte Umgebungen, wie einzigartige Peer-Groups oder individuelle Krankheiten, können das Essverhalten jedoch während der gesamten Kindheit und bis in die Teenagerjahre beeinflussen. Das bedeutet, dass die Art und Weise, wie wir als Familie essen, die Atmosphäre bei den Mahlzeiten und die Vorbilder, die wir unseren Kindern bieten, durchaus einen Einfluss haben können. Jaclyn Pederson, MHI, Geschäftsführerin von Feeding Matters, einer Organisation, die sich für die Aufklärung über Ernährungsstörungen bei Kindern einsetzt, unterstützt diese Ansicht: „Ohne Zweifel gibt es definitiv eine Verbindung zur Genetik, aber nur anzunehmen, dass die Genetik im Spiel ist, lässt einen großen Teil des Gesprächs aus, das wir führen müssen.“

Es ist also ein Zusammenspiel aus Veranlagung und Erziehung, das letztendlich darüber entscheidet, wie wählerisch ein Kind beim Essen ist.

„Die Tatsache, dass die Neigung, ein wählerischer Esser zu sein, unter genetischem Einfluss steht, bedeutet nicht, dass die Umwelt keine Rolle spielt.“

Wie können wir also unseren Kindern helfen, ein entspannteres Verhältnis zum Essen zu entwickeln?

Tipps für den Umgang mit wählerischen Essern

Auch wenn die Genetik eine Rolle spielt, bedeutet das nicht, dass wir als Eltern machtlos sind. Es gibt viele Strategien, die wir anwenden können, um unseren Kindern das Essen schmackhafter zu machen und ihre Neugier auf neue Lebensmittel zu wecken.

Hier sind einige bewährte Tipps:

  • Kein Zwang: Vermeiden Sie es, Ihr Kind zum Essen zu zwingen. Das erzeugt nur negativen Druck und kann dazu führen, dass es bestimmte Lebensmittel noch mehr ablehnt.
  • Vielfalt anbieten: Bieten Sie Ihrem Kind eine breite Palette an verschiedenen Lebensmitteln an, auch wenn Sie wissen, dass es nicht alles mag. So hat es die Möglichkeit, neue Geschmäcker kennenzulernen.
  • Gemeinsam kochen: Beziehen Sie Ihr Kind in die Zubereitung der Mahlzeiten mit ein. Kinder sind oft eher bereit, etwas zu probieren, das sie selbst mit zubereitet haben.
  • Vorbild sein: Essen Sie selbst eine ausgewogene Ernährung und zeigen Sie Ihrem Kind, dass Ihnen gesundes Essen schmeckt. Kinder ahmen oft das Verhalten ihrer Eltern nach.
  • Geduld haben: Es braucht Zeit, bis sich ein Kind an neue Geschmäcker gewöhnt hat. Geben Sie nicht auf, auch wenn es nicht sofort klappt.
Wählerisches Essverhalten bei Kindern

Wählerisches Essverhalten bei Kindern

Colleen Kraft, MD, rät Eltern, sich nicht zu sehr unter Druck setzen zu lassen: „Ich sage Familien, dass drei bis fünf gute Mahlzeiten pro Woche, etwas aus jeder Lebensmittelgruppe einmal pro Woche und ein Kind, das wächst und an Gewicht zunimmt, alles gute Zeichen für eine normale Entwicklung sind.“

Wann ist es mehr als nur wählerisches Essen?

Es ist wichtig zu erkennen, wann wählerisches Essverhalten zu einem ernsthaften Problem wird. Pederson erklärt, dass bis zu 50 % der Eltern sagen, dass ihr Kleinkind wählerisch ist. Während es typisch sein kann, dass Kleinkinder eine Phase des wählerischen Essens durchlaufen, ist es wichtig, frühe Symptome einer pädiatrischen Ernährungsstörung (PFD) nicht abzutun. PFD betrifft etwa 1 von 37 Kindern unter 5 Jahren und beschreibt Kinder, die nicht altersgerecht essen. Die Diagnose basiert auf Kriterien in vier Schlüsselbereichen: medizinisch, ernährungsbedingt, Fütterungsfähigkeit und psychosozial – eine Kombination aus Genetik und Umwelt. Wenn es eine Vorgeschichte von Fütterungsproblemen gibt, sich das wählerische Essen nicht bessert oder die psychische Gesundheit des Kindes oder der Familie aufgrund des Essens leidet, könnte eine pädiatrische Ernährungsstörung vorliegen.

Zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Sie den Verdacht haben, dass Ihr Kind mehr als nur ein wählerischer Esser ist.

Fazit

Die Erkenntnis, dass wählerisches Essverhalten bei Kindern genetisch bedingt sein kann, ist für viele Mütter eine Erleichterung. Sie nimmt den Druck, alles richtig machen zu müssen, und erlaubt uns, entspannter mit den Essgewohnheiten unserer Kinder umzugehen. Dennoch sollten wir die Umwelt, in der unsere Kinder aufwachsen, nicht außer Acht lassen. Eine positive und entspannte Atmosphäre bei den Mahlzeiten, das gemeinsame Kochen und das Vorleben einer ausgewogenen Ernährung können dazu beitragen, dass Kinder ein gesünderes Verhältnis zum Essen entwickeln. Und wenn Sie den Verdacht haben, dass mehr als nur wählerisches Essen vorliegt, scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn am Ende zählt vor allem, dass unsere Kinder gesund und glücklich sind – egal, ob sie Brokkoli lieben oder nicht.

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