Es ist früher Morgen. Die Sonne kriecht langsam über den Horizont, während ich in der Küche stehe und den Kaffee aufsetze. Meine Tochter Mia, sieben Jahre alt, sitzt am Tisch und malt konzentriert. ´Mama, was muss ich tun, um die Beste zu sein?´, fragt sie plötzlich, ohne den Blick von ihrem Bild zu heben. Die Frage trifft mich wie ein Schlag. Woher kommt dieser Druck? Warum fühlt sich meine Tochter, die doch erst am Anfang ihres Lebens steht, schon so stark dem Perfektionszwang ausgesetzt?
Die unsichtbare Last der Perfektion
Die Frage meiner Tochter ist kein Einzelfall. Eine Umfrage der LEGO-Gruppe, an der 61.532 Eltern, Erwachsene und Kinder aus 36 Ländern teilnahmen, zeigt, dass vier von fünf Mädchen unter einem enormen Perfektionsdruck leiden. Dieser Druck beeinflusst nicht nur ihre Kindheit, sondern auch ihre Zukunft. Frauen, die in ihrer Jugend ständig das Gefühl hatten, perfekt sein zu müssen, trauen sich später weniger zu, vermeiden Risiken und gehen seltener neue Wege.
Die Ursachen dafür sind vielfältig. Stereotype Rollenbilder, die von der Gesellschaft vermittelt werden, spielen eine entscheidende Rolle. Mädchen sollen gut in der Schule sein, hilfsbereit, nicht zu laut und am besten fehlerfrei. Diese Erwartungen lasten schwer auf ihren kleinen Schultern und bremsen ihre Entwicklung und ihr Selbstbewusstsein aus.
´Mädchen brauchen Raum, um Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen. Nur so können sie zu selbstbewussten Frauen heranwachsen, die sich trauen, Risiken einzugehen und ihre Träume zu verfolgen.´
Die Macht der Worte
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Wie wir mit unseren Töchtern sprechen, hat einen enormen Einfluss auf ihr Selbstbild. Was sie von uns hören, wird irgendwann zu ihrer inneren Stimme. Wenn wir ihnen immer wieder sagen, dass sie perfekt sein müssen, glauben sie das irgendwann selbst. Und das gilt nicht nur für das, was wir sagen, sondern auch für das, was wir nicht sagen. Wenn wir Mädchen ständig für ihr Aussehen loben, anstatt für ihre Intelligenz oder ihre Kreativität, vermitteln wir ihnen unbewusst, dass ihr Wert vor allem in ihrem Äußeren liegt.
Ein Beispiel: Letzte Woche kam Mia mit einer Eins in Mathe nach Hause. Mein erster Impuls war, sie zu umarmen und zu sagen: ´Du bist so schlau!´ Doch dann habe ich innegehalten. Stattdessen habe ich gesagt: ´Ich bin so stolz auf dich, dass du so hart gearbeitet hast!´ Der Unterschied ist subtil, aber wichtig. Indem ich ihre Anstrengung betone, zeige ich ihr, dass Erfolg etwas ist, das sie sich erarbeiten kann, und nicht etwas, das ihr einfach in den Schoß fällt.
Rollenbilder, die prägen
Kinder sind wie Schwämme. Sie saugen alles auf, was um sie herum passiert, und übernehmen die Rollenbilder, die wir ihnen vorleben. Wenn sie sehen, dass Frauen in unserer Gesellschaft oft zurückhaltend sind und sich selbst klein machen, nehmen sie das als Norm wahr. Und das gilt nicht nur für die Gesellschaft im Großen, sondern auch für das Familienleben im Kleinen. Wenn Mütter ständig sagen: ´Das kann ich nicht´ oder ´Das ist nichts für mich´, prägt das die Heranwachsenden.
Ich erinnere mich an eine Situation vor einigen Monaten. Mein Mann und ich waren dabei, ein neues Regal aufzubauen. Ich hatte die Anleitung in der Hand und sagte: ´Ich verstehe das nicht, du musst das machen.´ Mia schaute mich an und sagte: ´Mama, warum kannst du das nicht?´ In diesem Moment wurde mir klar, dass ich ihr ein falsches Bild vermittelte. Seitdem versuche ich, mich mehr zuzutrauen und ihr zu zeigen, dass Frauen genauso gut Regale aufbauen können wie Männer.
Mikrofeminismus im Alltag
Es sind oft die kleinen Dinge, die einen großen Unterschied machen. Mikrofeminismus bedeutet, im Alltag bewusst gegen stereotype Rollenbilder anzugehen. Das kann bedeuten, Mädchen zu ermutigen, laut zu sein, wenn sie etwas zu sagen haben. Oder sie dazu zu bringen, sich zu wehren, wenn jemand ihre Grenzen überschreitet. Es bedeutet, ihnen beizubringen, dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen und dass sie nicht immer perfekt sein müssen.
Ein Freund von mir hat seiner Tochter beigebracht, wie man ein Fahrrad repariert. ´Ich möchte, dass sie weiß, dass sie alles kann, was Jungen auch können´, sagte er. Das ist Mikrofeminismus in Aktion. Es geht darum, Mädchen Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie sich in einer Welt zurechtfinden können, die ihnen oft das Gegenteil vermittelt.
Die Reise zur Selbstbewusstheit
Die Reise zu einem selbstbewussten und mutigen Mädchen ist nicht immer einfach. Sie erfordert von uns Eltern, dass wir uns unserer eigenen Vorurteile bewusst werden und aktiv daran arbeiten, sie zu überwinden. Aber es lohnt sich. Denn am Ende geht es darum, unseren Töchtern das Rüstzeug mitzugeben, das sie brauchen, um in einer Welt voller Herausforderungen zu bestehen.
Als ich heute Morgen Mia zum Bus bringe, halte ich ihre Hand ein bisschen fester als sonst. ´Mia´, sage ich, ´du musst nicht die Beste sein. Du musst nur du selbst sein.´ Sie schaut mich an und lächelt. ´Okay, Mama´, sagt sie. Und ich weiß, dass wir auf dem richtigen Weg sind.