Die Pubertät – ein Thema, das in Familien oft für Gesprächsstoff, manchmal für Unsicherheit und nicht selten auch für Überforderung sorgt. Gerade Mütter, die selbst mitten im Leben stehen, zwischen Job, Partnerschaft und den Bedürfnissen der Kinder jonglieren, fragen sich: Wie begleite ich mein Kind bestmöglich durch diese turbulente Zeit? Wie schaffe ich es, offen über Körper, Sexualität und die damit verbundenen Veränderungen zu sprechen, ohne dabei rot zu werden oder in alte, verstaubte Denkmuster zu verfallen?
Früher Start, frühe Fragen
Es ist kein Geheimnis: Die Pubertät beginnt heute früher. Mädchen entwickeln sich schneller, werden früher mit Schönheitsidealen und sexuellen Inhalten konfrontiert. Social Media spielt dabei eine entscheidende Rolle. Influencerinnen mit perfekt gestylten Haaren und vollen Lippen werden zu Vorbildern, denen Grundschulkinder nacheifern. Die Modeindustrie profitiert davon, indem sie Kleidung in immer kleineren Größen anbietet. Doch was bedeutet das für die Entwicklung unserer Kinder? Sind sie wirklich so aufgeklärt, wie es scheint? Oder klaffen zwischen dem zur Schau gestellten Wissen und dem tatsächlichen Verständnis riesige Lücken?
Viele Mädchen wissen erschreckend wenig über ihren eigenen Körper. Der Biologieunterricht vermittelt oft nur trockenes Faktenwissen, während zu Hause Unsicherheit und Scham herrschen. Wenn Mütter die Unterwäsche ihrer Töchter nur mit spitzen Fingern anfassen oder ständig von „da unten“ sprechen, senden sie subtile Signale, die das Schamgefühl verstärken. Dabei ist es so wichtig, offen und liebevoll über den Körper zu sprechen, ihn anzunehmen und wertzuschätzen. Es müssen ja nicht immer die medizinisch korrekten Begriffe Vulva und Vagina sein. Auch liebevolle Kosenamen wie „Mumu“ oder „Schnecke“ können helfen, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen.
Die Chance zur Selbstreflexion
Die Pubertät der eigenen Kinder ist auch eine Chance für uns Mütter, unsere eigenen Glaubenssätze zu hinterfragen. Sind wir wirklich so offen und aufgeklärt, wie wir denken? Oder verstecken sich in uns noch alte Denkmuster und Tabus? Die Fragen der Kinder können uns auf eine spannende Reise zu uns selbst führen. Ist die Periode wirklich etwas Schmutziges? Sind Schamhaare peinlich? Ist Selbstbefriedigung etwas Schlimmes? Indem wir uns diesen Fragen stellen, können wir nicht nur unseren Kindern helfen, sondern auch uns selbst von alten Lasten befreien.
Es ist wichtig, den Kindern zuzuhören und ihre Fragen ernst zu nehmen. Auch wenn es manchmal schwerfällt, sollten wir versuchen, ehrlich und offen zu antworten. Wenn wir selbst unsicher sind, können wir uns gemeinsam mit unseren Kindern informieren, Bücher lesen oder Expertenrat einholen. Wichtig ist, dass wir unseren Kindern zeigen, dass sie mit ihren Fragen und Sorgen nicht allein sind.
Und auch Väter spielen eine wichtige Rolle in dieser Phase. Sie sollten weder schweigen noch sich zu sehr einmischen. Es gilt, einen Balanceakt zu finden, die Rückzugsbedürfnisse der Töchter zu respektieren und gleichzeitig für sie da zu sein, wenn sie Rat brauchen.
„Kinder sind unsere besten Lehrer bei diesem Deep Dive.“
Diese Aussage fasst die Essenz der Herausforderung und Chance zusammen, die die Pubertät für Eltern darstellt. Es geht darum, sich auf die Reise der Selbstentdeckung einzulassen, die durch die Fragen und das Verhalten der Kinder angestoßen wird. Dies erfordert Mut zur Ehrlichkeit, die Bereitschaft, alte Überzeugungen zu hinterfragen und eine offene Kommunikation innerhalb der Familie zu fördern. Indem Eltern diese Reise gemeinsam mit ihren Kindern antreten, können sie nicht nur deren Entwicklung positiv beeinflussen, sondern auch persönlich wachsen und zu einem tieferen Verständnis von sich selbst und ihrer Rolle als Eltern gelangen.
Als meine Tochter ihre erste Periode bekam, wollte sie sofort Tampons benutzen. Ich war skeptisch, fand sie mit elf Jahren noch zu jung dafür. Doch sie belehrte mich eines Besseren. Mir wurde klar, dass auch das ein alter Glaubenssatz war: dass man körperlich erfahrener sein muss, um Tampons zu benutzen. So lernen wir von unseren Kindern, wie wir alte Zöpfe abschneiden und uns von überholten Vorstellungen befreien können.
Selbstakzeptanz vorleben
Gerade in der Pubertät, wenn sich der Körper verändert und weiblicher wird, entwickeln viele Mädchen Essstörungen. Umso wichtiger ist es, dass wir Frauen unseren Töchtern mehr Selbstakzeptanz mitgeben. Das fängt bei uns selbst an. Wenn wir ständig an uns selbst herummäkeln, uns über Speckröllchen und Falten beklagen, prägen wir unsere Töchter. Sie übernehmen unsere negativen Selbstbilder und entwickeln ein gestörtes Verhältnis zum eigenen Körper. Eine meiner Töchter hat mich mal angebrüllt, ich solle aufhören, ich sähe doch super aus. Sie hatte Recht. Ich habe mich in dem Moment entschieden, mich gut zu finden, so wie ich bin. Und dann haben wir uns zusammen Burger bestellt. Denn ein natürliches Verhältnis zum Essen ist wichtiger als jede Diät.
Auch Schönheitsbehandlungen wie Botox und Hyaluron sind ein Thema, das wir offen mit unseren Kindern besprechen sollten. Ich verteidige meine Entscheidung, mir die grauen Haare zu färben und mein Gesicht etwas aufspritzen zu lassen. Ich möchte gerne, dass mein Spiegelbild freundlicher aussieht, und zwar vor allem für mich. Schönheit darf Freude bringen, solange wir uns nicht von unrealistischen Schönheitsidealen unter Druck setzen lassen.
Period Pride – Ja oder Nein?
Partys zur ersten Periode, sogenannte Period Pride Partys, sind ein neuer Trend. Was halten wir davon? Ich finde die Idee witzig, würde es aber immer von den Wünschen meiner Tochter abhängig machen. Nicht jedes Mädchen möchte seine erste Periode öffentlich feiern. Manche bevorzugen einen gemütlichen Mädchentag mit der Mama, andere wollen lieber ganz für sich sein. Wichtig ist, dass wir unsere Kinder in ihren Bedürfnissen尊重ieren und ihnen den Raum geben, den sie brauchen.
Auch für Jungen ist die Pubertät eine Zeit der Veränderung und Unsicherheit. Penis und Hoden werden größer, der Körper schießt in die Höhe, die Stimme verändert sich. Dazu kommt oft ein unangenehmer Körpergeruch, der nicht unbedingt etwas mit mangelnder Hygiene zu tun hat. Auch hier ist es wichtig, sensibel zu sein und die Privatsphäre der Jungen zu respektieren. Väter spielen eine wichtige Rolle als männliche Vertrauenspersonen, aber auch ältere Freunde oder Online-Foren können eine wertvolle Unterstützung sein.
Jungensprechstunde beim Urologen
Anders als bei Mädchen gibt es für Jungen keinen Pflichttermin beim Urologen. Umso wichtiger ist es, dass Eltern ihre Söhne ermutigen, sich bei Fragen und Problemen an einen Arzt zu wenden. Die sogenannte Jungensprechstunde bietet eine gute Möglichkeit, Vertrauen aufzubauen und sich über körperliche Veränderungen und sexuelle Gesundheit zu informieren. Denn auch Jungen haben viele Fragen, die sie nicht immer mit ihren Eltern oder Freunden besprechen können.
Ob Mädchen oder Junge, die Pubertät ist eine aufregende und herausfordernde Zeit. Als Eltern können wir unsere Kinder am besten unterstützen, indem wir offen und ehrlich mit ihnen sprechen, ihre Fragen ernst nehmen und ihnen den Raum geben, den sie brauchen, um sich zu entwickeln und zu wachsen. Und vergessen wir nicht: Auch wir können von unseren Kindern lernen und an ihren Erfahrungen wachsen.
Fazit: Die Pubertät als Chance für die ganze Familie
Die Pubertät ist mehr als nur eine Phase hormoneller Veränderungen; sie ist ein bedeutender Lebensabschnitt, der sowohl für die Jugendlichen als auch für ihre Eltern eine Zeit des Wandels und der Neuorientierung darstellt. Es ist eine Zeit, in der alte Glaubenssätze hinterfragt, neue Werte entdeckt und Beziehungen innerhalb der Familie neu definiert werden. Als Mütter und Väter stehen wir vor der Aufgabe, unsere Kinder auf diesem Weg zu begleiten, ihnen Halt zu geben und gleichzeitig den Raum für ihre individuelle Entwicklung zu schaffen. Dies erfordert Offenheit, Empathie und die Bereitschaft, sich selbst kritisch zu hinterfragen. Indem wir uns diesen Herausforderungen stellen, können wir nicht nur unseren Kindern helfen, sondern auch persönlich wachsen und unsere Beziehungen innerhalb der Familie stärken. Die Pubertät wird so zu einer Chance für die ganze Familie, sich gemeinsam weiterzuentwickeln und gestärkt aus dieser Zeit hervorzugehen.
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