Die Welt der Schönheitsideale ist ein Minenfeld, besonders für Kinder. Während wir Erwachsene uns oft schon schwer damit tun, den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden, sind Kinder in ihrer Entwicklung noch viel verletzlicher. Was passiert, wenn der Blick in den Spiegel nicht das zeigt, was vermeintlich „schön“ ist? Wenn Hänseleien in der Schule und unbedachte Kommentare im Familienkreis das Selbstbild trüben? Die Plussize-Influencerin Richlove Rockson kennt diese Herausforderungen aus eigener Erfahrung und gibt wertvolle Einblicke, wie Eltern und Erzieher ihren Kindern helfen können, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln – unabhängig von Konfektionsgröße und vermeintlichen Makeln.
Wenn die Waage zum Feind wird: Der frühe Kampf gegen Schönheitsideale
Die erschreckende Realität ist, dass viele Eltern schon früh versuchen, ihre Kinder in eine bestimmte Form zu pressen. Die Google-Suchanfragen nach „Kinder Diät“ sind ein alarmierendes Zeichen dafür, wie sehr das Thema Gewicht bereits in jungen Jahren präsent ist. Da werden Kalorien gezählt, ungesunde Ernährungsweisen gefördert und der natürliche kindliche Körper unterdrückt. Oft steckt dahinter keine böse Absicht, sondern die Angst vor Mobbing oder die Projektion eigener Komplexe. Doch der Schuss geht nach hinten los: Statt die Kinder zu schützen, verstärken solche Maßnahmen das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Und was als vermeintliche Hilfe gedacht war, wird zur seelischen Belastungsprobe.
Man stelle sich vor, ein kleines Mädchen, das voller Freude und Energie durch den Garten tobt. Ihre Wangen sind gerötet, die Haare zerzaust – ein Bild purer Unbeschwertheit. Doch dann kommt ein unbedachter Kommentar von einer Tante: „Du musst aber aufpassen, dass du nicht zu dick wirst!“ Plötzlich ist da ein Schatten auf dem sonnigen Gemüt des Kindes. Die Freude weicht Unsicherheit, das Lachen erstirbt. Von diesem Moment an wird das Mädchen ihren Körper mit anderen Augen sehen, immer begleitet von der Angst, nicht den Erwartungen zu entsprechen. Dies ist nur eine von vielen Momentaufnahmen, die zeigen, wie früh Kinder mit dem Thema Körperbild konfrontiert werden.
Die Mobbing-Falle: Wenn das Gewicht zur Zielscheibe wird
Mobbing ist ein grausames Phänomen, das viele Kinder und Jugendliche betrifft. Und Übergewicht ist einer der häufigsten Gründe dafür. Betroffene erfahren verbale und sogar körperliche Gewalt, werden ausgegrenzt und gedemütigt. Die PISA-Studie 2015 der OECD zeigt, dass fast jede:r sechste Schüler:in gemobbt wird. Fat Shaming ist eine besonders perfide Form, da sie direkt auf das Äußere abzielt und tiefe Wunden hinterlässt. Die ständige Konfrontation mit negativen Kommentaren und ablehnenden Blicken führt zu einem Teufelskreis aus Selbsthass und sozialer Isolation. Kinder, die ohnehin schon mit ihrem Körper hadern, ziehen sich zurück, entwickeln Ängste und Depressionen. Die Freude am Leben geht verloren und das Potenzial, das in ihnen schlummert, wird durch die negativen Erfahrungen blockiert.
Manchmal sind es subtile Bemerkungen, die wie kleine Nadelstiche wirken. Ein spöttischer Blick in der Umkleidekabine, ein tuschelndes Gespräch in der Schulpause, ein abfälliger Kommentar über die Kleidung. Diese unscheinbaren Momente können sich zu einem großen Ganzen zusammenfügen und das Selbstwertgefühl eines Kindes nachhaltig zerstören. Es ist wichtig, dass Eltern und Erzieher sensibel für diese Signale sind und rechtzeitig eingreifen, um den Kreislauf des Mobbings zu durchbrechen.
Person im floralem Kleid
Die Plussize-Influencerin Richlove Rockson betont, wie wichtig der Rückhalt der Familie und die Sichtbarkeit von mehrgewichtigen Personen in den Medien sind, um Stereotypen aufzubrechen. Denn das Gewicht sagt nichts über den Gesundheitszustand, die Vorlieben oder den Charakter eines Menschen aus. Vielmehr ist es ein individuelles Merkmal, das genauso vielfältig ist wie die Menschen selbst. Es ist an der Zeit, dass wir uns von veralteten Schönheitsidealen verabschieden und eine Gesellschaft schaffen, in der jedes Kind die Möglichkeit hat, sich selbst zu lieben und zu akzeptieren – unabhängig von seiner Figur.
„Die Medien, die wir konsumieren, spielen eine Schlüsselrolle. Wir können Kindern – und uns selbst! – dank Social Media heute zeigen, dass sie nicht allein sind, auch wenn es sich manchmal so anfühlt.“
Richlove Rockson im Interview: „Meine Mutter hat ihre Ängste auf mich projiziert“
Richlove Rockson spricht offen über ihre eigenen Erfahrungen mit Body Shaming und den Einfluss ihrer Familie auf ihr Selbstbild. Besonders geprägt hat sie die Angst ihrer Mutter vor den Meinungen anderer Leute. Bestimmte Kleidungsstücke waren tabu, weil sie in den Augen der Mutter nur dünnen Menschen vorbehalten waren. Diese Einschränkungen haben Richlove das Gefühl gegeben, nicht dazuzugehören und nicht schön genug zu sein. In der Schule wurde sie gehänselt und trug Jungenklamotten, weil es die einzigen Größen waren, die passten. Als Reaktion auf das Mobbing wurde sie aggressiv und schlug die Kinder, in der Hoffnung, dass sie aufhören würden. Ein Verhalten, das oft ein Zeichen dafür ist, dass etwas nicht stimmt und Eltern hellhörig werden sollten.
Die Geschichte von Richlove Rockson ist ein Weckruf für alle Eltern und Erzieher. Sie zeigt, wie wichtig es ist, die eigenen Ängste und Vorurteile zu reflektieren und nicht auf die Kinder zu projizieren. Stattdessen sollten wir sie darin bestärken, ihren eigenen Weg zu gehen und sich von gesellschaftlichen Erwartungen zu befreien. Es geht darum, eine liebevolle und unterstützende Umgebung zu schaffen, in der sich Kinder sicher fühlen und ihr volles Potenzial entfalten können.
Was Eltern vermeiden sollten: Die No-Gos im Umgang mit dem Körperbild von Kindern
Es gibt bestimmte Verhaltensweisen, die Eltern unbedingt vermeiden sollten, um das Selbstwertgefühl ihrer Kinder nicht zu gefährden. Dazu gehört, ihnen das Gefühl zu geben, nicht dazuzugehören, indem man ihnen verbietet, bestimmte Sachen zu tragen, weil sie dadurch „dicker“ aussehen. Auch das Demonstrieren, dass sie nicht schön genug sind, oder unnötige Diäten sind absolut tabu. Solche Maßnahmen vermitteln den Kindern die Botschaft: „Wir sind mit dir nicht zufrieden und lieben dich nicht, wie du bist.“ Und diese Botschaft kann verheerende Folgen haben.
Stattdessen sollten Eltern ihren Kindern vermitteln, dass sie wertvoll und liebenswert sind – genau so, wie sie sind. Es geht darum, die individuellen Stärken und Talente zu fördern und ihnen zu helfen, ein positives Körperbild zu entwickeln. Dazu gehört auch, offen über Schönheitsideale und unrealistische Erwartungen zu sprechen und ihnen beizubringen, sich von diesen zu distanzieren. Denn wahre Schönheit kommt von innen und strahlt nach außen.
Selbstakzeptanz lernen: Wie man Kinder in einer oberflächlichen Gesellschaft stark macht
Selbstakzeptanz fängt immer bei einem selbst an. Es ist wichtig, Kindern zu vermitteln, dass sie nicht jedem gefallen können und es auch nicht müssen. Sie sollen nur sich selbst gefallen. Die Medien, die wir konsumieren, spielen dabei eine entscheidende Rolle. Dank Social Media können wir Kindern – und uns selbst! – heute zeigen, dass sie nicht allein sind, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. Es gibt viele positive Beispiele von Menschen, die sich von Schönheitsidealen befreit haben und selbstbewusst zu ihrem Körper stehen.
Die englische Sprache kennt empowernde Selbstbezeichnungen wie „Fat“, während im Deutschen noch der passende Ausdruck fehlt. Begriffe wie „fett“, „groß“ oder „dick“ sind gesellschaftlich negativ assoziiert und sollten vor allem bei Kindern vermieden werden. Sie haben oft schon negative Erfahrungen mit diesen Begriffen gemacht und lösen dadurch negative Gefühle aus. Eltern sollten stattdessen eine positive und wertschätzende Sprache verwenden, die den Fokus auf die inneren Werte und Stärken der Kinder legt.
Eine Mutter, die selbst jahrelang mit ihrem Körperbild zu kämpfen hatte, erzählte mir einmal, wie sie ihrer Tochter beigebracht hat, sich selbst zu lieben. Sie sagte ihr: „Dein Körper ist dein Zuhause. Er trägt dich durchs Leben, er ermöglicht dir, zu lachen, zu tanzen und die Welt zu entdecken. Sei dankbar für ihn und pflege ihn gut – aber lass dir niemals von anderen vorschreiben, wie er auszusehen hat!“ Diese Worte haben mich tief berührt und gezeigt, wie wichtig es ist, Kindern von klein auf ein gesundes Selbstwertgefühl zu vermitteln.
Fazit: Selbstliebe als Schlüssel zu einem erfüllten Leben
Die Reise zu einem positiven Körperbild ist ein lebenslanger Prozess, der schon in der Kindheit beginnt. Eltern und Erzieher spielen dabei eine entscheidende Rolle, indem sie eine liebevolle und unterstützende Umgebung schaffen, in der sich Kinder sicher fühlen und ihr volles Potenzial entfalten können. Es geht darum, Schönheitsideale zu hinterfragen, Stereotypen aufzubrechen und den Fokus auf die inneren Werte und Stärken zu legen. Wenn wir unseren Kindern beibringen, sich selbst zu lieben und zu akzeptieren – unabhängig von ihrer Figur – schenken wir ihnen den Schlüssel zu einem erfüllten und glücklichen Leben. Ein Leben, in dem sie selbstbewusst ihren Weg gehen, ihre Träume verwirklichen und die Welt mit ihrer einzigartigen Persönlichkeit bereichern.
Eltern.de