
Zwischen Karriere und Kita: Wie Mütter den Spagat meistern
Die Entscheidung, die keine ist – Warum berufstätige Mütter heute die neue Normalität sind
Es ist ein frischer Montagmorgen, als Sophia Berger ihre Tochter Emma in der Kita abgibt. Die Fünfjährige klammert sich kurz an Mamas Bein, bevor sie mit einem Lächeln zu ihrer Freundin hinüberläuft. Sophia atmet tief durch – dieser Moment des Abschieds ist nach drei Jahren Routine und doch jeden Tag aufs Neue emotional. Mit einem Blick auf die Uhr beschleunigt sie ihren Schritt. In 45 Minuten beginnt ihr Meeting, der Laptop wartet bereits im Büro. Wie Millionen andere Mütter in Deutschland startet Sophia in einen Tag, der von minutiöser Planung, emotionalen Achterbahnfahrten und dem ständigen Gefühl geprägt ist, keiner Rolle vollständig gerecht zu werden. Und doch würde sie es nicht anders wollen.
´Meine Großmutter blieb selbstverständlich zu Hause, meine Mutter kehrte nach drei Jahren in Teilzeit zurück, und ich war nach einem Jahr wieder voll im Job´, reflektiert die 38-jährige Projektmanagerin. ´Jede Generation von Frauen definiert ihre Mutterrolle neu – und das ist gut so.´
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Laut Statistischem Bundesamt waren im Jahr 2020 bereits 74,9 Prozent aller Frauen mit Kindern im eigenen Haushalt erwerbstätig – ein deutlicher Anstieg um fünf Prozentpunkte gegenüber 2010. Der Trend ist eindeutig: Die berufstätige Mutter ist längst keine Ausnahme mehr, sondern die Regel. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie viel und in welcher Form Mütter arbeiten.
Vom Tabu zur Notwendigkeit: Die Evolution der Müttererwerbstätigkeit
Noch in den 1980er und frühen 1990er Jahren galt es in Westdeutschland als gesellschaftliches Ideal, dass Mütter sich ausschließlich um Kinder und Haushalt kümmern. Die berufstätige Mutter war eher die Ausnahme, oft begleitet von skeptischen Blicken und dem leisen Vorwurf der Vernachlässigung. ´Rabenmutter´ – dieses verletzende Etikett bekamen Frauen angeheftet, die es wagten, Karriere und Kinder gleichzeitig zu wollen.
Was für die heutige Generation junger Mütter wie ein Relikt aus einer anderen Zeit klingt, war vor nur einer Generation noch gelebte Realität. Die Autorin des Originaltexts erinnert sich: ´Mit zwölf wollte ich Opernsängerin werden. Mit 14 Freiheitskämpferin. Aber als ich dann ernsthaft Berufspläne schmiedete, mit 16 oder 17, waren mir vor allem zwei Dinge wichtig. Eine interessante Tätigkeit, klar, aber auch, dass die Ausbildung oder das Studium nicht so lang dauern sollte. Wegen der Kinder.´
Diese Denkweise war damals keine Ausnahme, sondern die Regel. Frauen planten ihre berufliche Zukunft mit der Gewissheit, dass mit der Geburt des ersten Kindes der Ausstieg aus dem Berufsleben folgen würde – zumindest für viele Jahre. Doch was hat diesen fundamentalen Wandel ausgelöst?
Berufstätigkeit für Mütter ist heute weit mehr als finanzielle Notwendigkeit oder Karrierestreben – sie ist ein zentraler Baustein weiblicher Identität und persönlicher Erfüllung in einer Gesellschaft, die immer noch um die gerechte Verteilung von Care-Arbeit ringt.
Warum der Job mehr als Geld bedeutet: Die psychologische Dimension der Müttererwerbstätigkeit
Die Erwerbstätigkeit von Müttern wird oft primär unter finanziellen oder karrieretechnischen Aspekten diskutiert. Doch die psychologische Komponente bleibt dabei häufig unterbelichtet. Dr. Hannah Schade, Sozialpsychologin am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung in Dortmund, bringt es auf den Punkt: Es gibt drei fundamentale Grundbedürfnisse, die jeden Menschen antreiben – Autonomie, Kompetenz und Gemeinschaft. Diese Bedürfnisse lassen sich zwar grundsätzlich auch in der Familienarbeit befriedigen, doch besonders in der intensiven Kleinkindphase kommen sie oft zu kurz.
Die psychologische Forschung bestätigt diesen Zusammenhang eindrucksvoll. Eine Studie der Universität Mannheim aus dem Jahr 2022 zeigte, dass berufstätige Mütter im Durchschnitt eine höhere Lebenszufriedenheit aufweisen als nicht erwerbstätige – unabhängig vom Einkommen. Der Effekt war besonders stark bei Frauen mit höherer Bildung. Psychologin Dr. Julia Becker erklärt: ´Berufstätigkeit bietet Müttern eine zusätzliche Quelle der Identität und Selbstwirksamkeit. Sie erleben sich nicht nur in der Mutterrolle als kompetent, sondern auch in einem anderen Kontext, was das Selbstwertgefühl stärkt.´
Die Arbeitswelt bietet zudem strukturierte soziale Kontakte jenseits des Familienkosmos. Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen, die nicht primär um Kinderthemen kreisen, bereichern den Alltag und erweitern den Horizont. Für viele Mütter ist der Austausch mit anderen Erwachsenen ein wichtiger Ausgleich zum intensiven, oft emotional fordernden Familienleben.
´Manchmal freue ich mich regelrecht auf meinen Bürotag´, gesteht Laura M., Mutter zweier Kinder und Teilzeit-Marketingmanagerin. ´Nicht weil ich meine Kinder nicht liebe, sondern weil ich dort einen Teil meiner Persönlichkeit ausleben kann, der zu Hause weniger Raum hat. Das macht mich ausgeglichener – auch als Mutter.´
Quellen wie das Journal of Personality and Social Psychology oder das deutsche Sozio-oekonomische Panel belegen, dass diese Erfahrung keine Ausnahme ist. Die Möglichkeit, verschiedene Lebensbereiche zu haben, in denen man Erfüllung findet, wirkt als Puffer gegen Stress und reduziert das Risiko für Depressionen.
Die Einflussfaktoren: Was bestimmt, wie Mütter arbeiten?
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang eine Mutter berufstätig ist, wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Während manche dieser Faktoren individuell sind, zeigen sich in der Statistik klare Muster. Besonders auffällig ist der Zusammenhang zwischen Bildungsgrad und Erwerbstätigkeit: Je höher der Bildungsabschluss einer Frau, desto wahrscheinlicher ist ihre frühe Rückkehr in den Job und desto höher ihr Stundenumfang.
Die Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft sprechen eine deutliche Sprache: Nur acht Prozent aller Mütter mit Hochschulabschluss möchten am liebsten gar nicht arbeiten, aber bei Frauen ohne Berufsausbildung ist es jede Vierte. Dieser Unterschied erklärt sich nicht nur durch finanzielle Anreize – höher qualifizierte Jobs sind in der Regel besser bezahlt – sondern auch durch die persönliche Investition in die eigene Ausbildung und die damit verbundene berufliche Identität.
Eine Ärztin, die ein Jahrzehnt in ihre Ausbildung investiert hat, gibt ihre Karriere seltener vollständig auf als eine ungelernte Hilfskraft. Die emotionale Bindung an den Beruf und das Gefühl, durch die eigene Tätigkeit etwas Bedeutsames zu leisten, spielen hier eine zentrale Rolle.
- Das Alter und die Ausbildung
- Der Verdienst des Partners
- Die eigene Herkunftskultur
Ost-West-Unterschiede: Das kulturelle Erbe der Frauenerwerbstätigkeit
Eine der faszinierendsten Beobachtungen in der Forschung zur Müttererwerbstätigkeit sind die anhaltenden Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Mehr als drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung prägt die unterschiedliche Geschichte beider Landesteile noch immer das Verhalten und die Einstellungen von Müttern.
In der DDR war die Vollzeiterwerbstätigkeit von Frauen – auch mit kleinen Kindern – gesellschaftliche Norm und wurde durch ein flächendeckendes Betreuungsangebot unterstützt. Das westdeutsche Modell hingegen propagierte die Hausfrauenehe, teilweise auch als bewusste Abgrenzung zum sozialistischen Nachbarn. Das Credo ´Mutti muss nicht arbeiten, sonst hat Vati versagt´ prägte Generationen.
Besonders aufschlussreich ist eine Erhebung des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): Sie zeigt, dass westdeutsche Mütter, die in den Osten ziehen, ihre Verhaltensweisen relativ schnell an die dortigen Normen anpassen und früher sowie in größerem Umfang in den Beruf zurückkehren. Ostdeutsche Mütter hingegen behalten auch nach einem Umzug in den Westen ihre kürzeren Auszeiten bei. Die kulturelle Prägung wirkt nachhaltig und wird von Generation zu Generation weitergegeben.
´Meine Mutter war Ingenieurin in der DDR und für sie war es selbstverständlich, Vollzeit zu arbeiten´, erzählt Claudia Weber aus Leipzig. ´Ich bin mit dem Bild aufgewachsen, dass Frauen berufstätig sind – das hat mich stark geprägt. Als ich selbst Mutter wurde, stand für mich nie zur Debatte, ob ich arbeiten würde, sondern nur wie schnell ich zurückkehre.´
Diese kulturellen Unterschiede spiegeln sich auch in den Einstellungen wider: Ostdeutsche Mütter legen mehr Wert auf berufliche Anerkennung und Wertschätzung, während westdeutsche Mütter häufiger Flexibilität und Familienfreundlichkeit als wichtigste Jobkriterien nennen.
Die Teilzeitfalle: Wenn der Kompromiss zur Sackgasse wird
Trotz der steigenden Erwerbsquote von Müttern gibt es einen Aspekt, der Gleichstellungsexperten Sorgen bereitet: Zwei von drei berufstätigen Müttern arbeiten in Teilzeit, bei Müttern mit Kindern unter zwölf Jahren sind es sogar fast 70 Prozent. Während Teilzeitarbeit auf den ersten Blick die perfekte Lösung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf scheint, birgt sie langfristig erhebliche Risiken – vor allem für die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen.
Die sogenannte ´Teilzeitfalle´ beschreibt das Phänomen, dass aus einer als vorübergehend gedachten Reduzierung der Arbeitszeit oft ein Dauerzustand wird. Die Rückkehr in eine Vollzeitstelle gestaltet sich häufig schwierig, da Führungspositionen selten in Teilzeit vergeben werden und die berufliche Entwicklung während der Teilzeitphase oft stagniert.
Die langfristigen Folgen sind gravierend: geringere Karrierechancen, niedrigere Rentenansprüche und ein erhöhtes Armutsrisiko im Alter. Besonders problematisch wird es bei Trennungen oder dem Tod des Partners – dann rächt sich die jahrelange Teilzeitarbeit bitter.
´Viele Frauen unterschätzen die langfristigen Folgen ihrer Teilzeitentscheidung´, warnt Arbeitsmarktexpertin Dr. Christina Boll vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. ´Eine Reduzierung auf 50 Prozent über zehn Jahre bedeutet nicht nur zehn Jahre lang die Hälfte des Gehalts, sondern wirkt sich auch auf alle zukünftigen Gehaltserhöhungen, Beförderungen und letztlich die Rente aus.´
Besonders frustrierend: Laut IW-Studie würden viele Mütter gerne mehr arbeiten, wenn die Rahmenbedingungen es zuließen. Nur zwölf Prozent aller Mütter möchten am liebsten gar nicht erwerbstätig sein – ein drastischer Rückgang gegenüber 1998, als es noch mehr als jede vierte war.
Die unsichtbaren Hürden: Warum der Wiedereinstieg so schwer ist
Der Weg zurück in den Beruf ist für viele Mütter mit zahlreichen Hindernissen gepflastert. Neben den offensichtlichen Herausforderungen wie dem Mangel an Betreuungsplätzen oder unflexiblen Arbeitszeiten kämpfen viele Frauen mit subtileren Formen der Benachteiligung.
Eine Studie der Frankfurter University of Applied Sciences liefert erschreckende Zahlen: Zwei von drei arbeitenden Müttern haben schon einmal Demütigungen durch Kollegen oder Vorgesetzte erlebt. Die Palette reicht von abwertenden Kommentaren (´Na, wieder da vom Urlaub?´) über das Übergehen bei wichtigen Projekten bis hin zu direkter Diskriminierung bei Beförderungen.
Karline Wenzel und Sandra Runge von der Initiative #proparents haben in ihrem Buch ´Glückwunsch zum Baby, Sie sind gefeuert´ zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Mütter nach der Elternzeit systematisch aus dem Unternehmen gedrängt wurden – durch Versetzungen, Gehaltskürzungen oder das Schaffen eines feindseligen Arbeitsumfelds.
Diese Erfahrungen haben reale Auswirkungen auf die Karriereentscheidungen von Frauen. Viele reduzieren ihre Arbeitszeit nicht nur aus familiären Gründen, sondern auch, um dem Druck und den Anfeindungen zu entgehen. Andere orientieren sich beruflich neu und suchen nach familienfreundlicheren Branchen oder wagen den Schritt in die Selbstständigkeit.
´Nach meiner Elternzeit war mein Schreibtisch weg, meine Projekte verteilt und meine Position faktisch abgeschafft´, berichtet Marketingexpertin Janine K. ´Offiziell hieß es ‚Umstrukturierung‘, aber für meine kinderlosen Kolleginnen hatte sich nichts verändert. Ich habe gekündigt und mich selbstständig gemacht – die beste Entscheidung meines Lebens.´
- Im vergangenen Jahr startete die Initiative #proparents zusammen mit ELTERNfamily und der Zeitschrift ´Brigitte´ die Petition ´Gleiches Recht für Eltern´ und sammelte Zehntausende Unterschriften gegen die Diskriminierung von Müttern und Vätern im Job.
- In ihrem neuen Buch ´Glückwunsch zum Baby, Sie sind gefeuert´ (Eden Books, 18,95 Euro) vertiefen Karline Wenzel und Sandra Runge von #proparents dieses Thema weiter. Sie skizzieren anhand von Fallbeispielen die Vielzahl der Benachteiligungen, denen Eltern im Job ausgesetzt sind und geben Anregungen, wie sie sich gegen Diskriminierung im Beruf wehren können. Sie zeigen Wege auf, wie Betriebe elternfreundlicher werden können, und formulieren konkrete Forderungen an die Politik.
Die unterschiedlichen Erwartungen: Was Männer und Frauen vom Beruf wollen
Interessant ist auch, dass Männer und Frauen offenbar unterschiedliche Prioritäten bei der Arbeit setzen – und zwar unabhängig davon, ob sie Eltern sind oder nicht. Laut Daten des Online-Studienportals Statista legen Frauen deutlich mehr Wert auf ein gutes Verhältnis zu Kolleginnen und Kollegen (56 Prozent gegenüber 47 Prozent bei Männern) und auf günstige Arbeitszeiten (31 Prozent gegenüber 25 Prozent).
Männer hingegen priorisieren häufiger Karrierechancen (16 Prozent gegenüber 10 Prozent bei Frauen) und Gehalt (40 Prozent gegenüber 26 Prozent). Diese Unterschiede sind teilweise kulturell bedingt und spiegeln traditionelle Rollenbilder wider – der Mann als Hauptverdiener, die Frau als Zuständige für die Familie.
Doch diese Unterschiede in den Präferenzen haben reale Auswirkungen auf Karriereverläufe und Verdienstmöglichkeiten. Wenn Frauen Arbeitszeiten und Kollegialität höher bewerten als Gehalt und Aufstiegschancen, nehmen sie möglicherweise Gehaltseinbußen in Kauf, um in einem angenehmen Umfeld mit familienfreundlichen Bedingungen zu arbeiten.
Gleichzeitig zeigt sich hier ein Dilemma: Arbeiten Frauen in Teilzeit oder in weniger prestigeträchtigen Positionen, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können, zementieren sie damit genau jene ungleichen Strukturen, die diese Entscheidungen erst notwendig machen.
Die Vorbildfunktion: Wie wir die nächste Generation prägen
Eine Erkenntnis, die sich durch alle Studien zum Thema zieht: Kinder werden stark davon geprägt, welches Rollenbild sie zu Hause erleben. Töchter von berufstätigen Müttern werden mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst berufstätig, und Söhne von Müttern in Führungspositionen haben später egalitärere Vorstellungen von Partnerschaft.
Diese intergenerationale Weitergabe von Einstellungen und Verhaltensmustern ist ein mächtiger Hebel für gesellschaftlichen Wandel. Jede Generation von Müttern, die ihre beruflichen Ambitionen verfolgt, ebnet den Weg für die nächste.
Die Autorin des Originaltexts reflektiert dies treffend: ´Es wird auch unsere eigenen Kinder beeinflussen, wie in unserer Familie Job und Carearbeit verteilt sind, welches Bild vom Arbeitsleben wir ihnen vermitteln, als Mutter oder Vater. Und auch, was für ihre eigene Berufswahl entscheidend sein könnte: Sicherheit? Verdienstmöglichkeiten? Begeisterung? Sinnhaftigkeit?´
Besonders kraftvoll ist die Erkenntnis, dass es dabei nicht nur um Töchter geht, sondern genauso um Söhne. Jungen, die erleben, dass Hausarbeit und Kinderbetreuung gleichberechtigt aufgeteilt werden, entwickeln ein anderes Verständnis von Partnerschaft und Elternschaft als jene, die in traditionellen Strukturen aufwachsen.
Der Blick nach vorn: Was brauchen Mütter wirklich?
Die Zahlen sind eindeutig: Die überwältigende Mehrheit der Mütter möchte berufstätig sein. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft oft eine große Lücke. Was bräuchte es, damit mehr Frauen ihre beruflichen Ambitionen verwirklichen können?
An erster Stelle steht der weitere Ausbau der Kinderbetreuung – nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Längere und flexiblere Öffnungszeiten, bessere Betreuungsschlüssel und mehr Angebote für Randzeiten und Ferienbetreuung würden vielen Eltern den Alltag erleichtern.
Ebenso wichtig ist ein Kulturwandel in Unternehmen. Familienfreundlichkeit darf nicht nur auf dem Papier existieren, sondern muss gelebt werden. Das bedeutet flexible Arbeitsmodelle für alle Mitarbeiter – nicht nur für Mütter – sowie eine Führungskultur, die Leistung nicht an Präsenzzeiten misst, sondern an Ergebnissen.
Auch die Politik ist gefordert: Das Ehegattensplitting, das die Teilzeitarbeit eines Partners finanziell belohnt, steht seit Jahren in der Kritik. Eine Reform, die Individualbesteuerung mit gezielter Förderung von Familien verbindet, könnte negative Arbeitsanreize beseitigen.
Nicht zuletzt braucht es eine gerechte Aufteilung der Familienarbeit zwischen den Geschlechtern. Solange Kinderbetreuung und Haushalt überwiegend Frauensache bleiben, werden Mütter beruflich weiterhin zurückstecken müssen. Väter, die Elternzeit nehmen und dauerhaft Verantwortung übernehmen, sind der Schlüssel zu echter Gleichberechtigung.
Fazit: Die Zukunft gehört den Eltern, nicht nur den Müttern
Die Geschichte der Müttererwerbstätigkeit ist eine Erfolgsgeschichte – trotz aller noch bestehenden Hürden. In nur einer Generation hat sich das Selbstverständnis berufstätiger Mütter grundlegend gewandelt: von der Ausnahme zur Regel, vom Tabu zur Normalität.
Die nächste große Transformation steht jedoch noch aus: der Wandel von der ´Vereinbarkeit für Mütter´ zur ´Vereinbarkeit für Eltern´. Solange Karriere und Kind primär als Frauenproblem betrachtet werden, werden die strukturellen Ungleichheiten bestehen bleiben.
Die Zeichen stehen gut: Junge Väter heute wollen mehr sein als Ernährer und Wochenendpapas. Sie fordern Teilzeit, nehmen Elternzeit und stellen überkommene Rollenbilder in Frage. Gemeinsam mit Müttern, die ihre beruflichen Ambitionen nicht länger zurückstellen wollen, können sie eine Arbeitswelt gestalten, die Menschen mit Sorgeverpflichtungen nicht benachteiligt, sondern unterstützt.
Die Entscheidung für oder gegen Berufstätigkeit – und in welchem Umfang – sollte eine echte Wahl sein, frei von ökonomischem Zwang und gesellschaftlichen Erwartungen. Eine Wahl, die Mütter und Väter gemeinsam treffen, basierend auf ihren individuellen Wünschen, Talenten und Lebensumständen.
Dann wird aus dem ´Mein Wiedereinstieg in den Job´ endlich ein ´Unser Weg als Familie´ – und das wäre ein echter Fortschritt.