Mädchenkleidung: Warum Geschlechterstereotypen die Bewegungsfreiheit einschränken

Die Welt der Kindermode ist ein Dschungel, in dem sich Eltern oft verirren. Zwischen zarten Pastelltönen und wilden Dino-Motiven, bequemen Schnitten und figurbetonten Designs lauert eine Frage: Müssen Mädchen wirklich in Mini-Höschen groß werden? Ein Blick in die Kleiderschränke unserer Töchter offenbart oft ein erschreckendes Bild: Röcke, die kaum den Po bedecken, Oberteile, die die Bewegungsfreiheit einschränken, und eine Farbpalette, die sich gefühlt nur zwischen Rosa und Glitzer bewegt. Aber warum ist das so? Und was können wir als Mütter dagegen tun?

Der Spielplatz-Realitätscheck

Stell dir vor: Sommernachmittag auf dem Spielplatz. Die Sonne scheint, Kindergeschrei liegt in der Luft. Ein Junge flitzt die Rutsche hinunter, in seinen weiten Shorts hat er alle Freiheit der Welt. Direkt danach will ein Mädchen nachziehen, aber statt ungebremsten Spaßes gibt es ein jähes Stoppen. Der Grund: Ihre kurze, enge Shorts bleibt am Metall hängen. Und das ist kein Einzelfall. Mädchen, die beim Fangen spielen ständig ihren Haarreif richten müssen oder lieber aufs Klettern verzichten, weil der Jeansrock einfach nicht mitmacht. Diese Szenen sind trauriger Alltag und zeigen, wie sehr die Kleidung die Bewegungsfreiheit und das Selbstbewusstsein unserer Töchter einschränken kann.

Kindermode: Ein Kleinkind in einem pfirsichfarbenen Kleid mit Tüllrock, das ein Stofftier hält, illustriert die Vielfalt bei Mädchenkleidung.

Kindermode: Ein Kleinkind in einem pfirsichfarbenen Kleid mit Tüllrock, das ein Stofftier hält, illustriert die Vielfalt bei Mädchenkleidung.

Das Problem beginnt oft schon im Krabbelalter. Wer hat nicht schon niedliche Kleidchen für die Kleinsten gesehen, die zwar zuckersüß aussehen, aber völlig unpraktisch sind? Die kleinen Mädchen bleiben mit ihren Knien im Stoff hängen und purzeln. Und auch später setzt sich dieser Trend fort: Kleidung, die zwar zum „Süßaussehen“ geeignet ist, aber nicht zum Rennen, Toben und Entdecken der Welt. Es ist, als würde man den Mädchen von Anfang an signalisieren: „Sei hübsch, aber nicht zu aktiv.“

Das rosa-glitzernde Korsett

Eine Analyse der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2022 hat es deutlich gezeigt: Kinderkleidung ist voll von Geschlechterstereotypen. Auf der einen Seite enge Jeans und Hotpants für Mädchen, auf der anderen Seite bequeme Shorts für Jungs. Und auch bei den Oberteilen gibt es klare Unterschiede: Mädchenshirts sind oft mit Rosa, Glitzer und Einhornmotiven übersät, während Jungsshirts mit Dinos und Sprüchen wie „explore the world“ locken. Die Schnitte sind ebenso unterschiedlich: locker und bequem für Jungs, schmal und kurz oder sogar tailliert für Mädchen. Dabei sind die körperlichen Unterschiede in diesem Alter noch minimal. Trotzdem gibt es Croptops und Minihosen ausschließlich für kleine Mädchen – Outfits, die sie als Teenager wahrscheinlich als „billig“ ablehnen würden.

Diese geschlechtsspezifische Kleidung vermittelt subtile Botschaften: Mädchen sollen gefallen, Jungs sollen die Welt entdecken. Mädchen sind „cute“, Jungs sind abenteuerlustig. Und das Umfeld verstärkt diese Botschaften oft noch, indem es Mädchen im Kleid entzückt zuruft: „Wie eine kleine Dame!“ Aber was, wenn ein Mädchen lieber ein Dino-Shirt tragen und im Matsch spielen möchte? Was, wenn sie sich in einem engen Kleid unwohl fühlt? Müssen wir sie wirklich in diese Rollen zwängen?

Es ist an der Zeit, das enge Korsett der Geschlechterstereotypen in der Kindermode zu lockern und unseren Töchtern die Freiheit zu geben, sich in ihrer Kleidung wohlzufühlen und die Welt unbeschwert zu entdecken.

Manche mögen sagen: „Übertreibt doch nicht! Es ist doch nur Kleidung!“ Aber Kleidung ist mehr als nur Stoff. Sie beeinflusst, wie wir uns fühlen, wie wir uns bewegen und wie wir von anderen wahrgenommen werden. Wenn Mädchen von klein auf in Kleidung gesteckt werden, die sie einschränkt, kann das ihr Selbstbewusstsein und ihre Entwicklung beeinträchtigen. Es ist, als würde man ihnen Flügel stutzen, bevor sie überhaupt fliegen können.

Die Notlösung: Jungsabteilung?

Die logische Konsequenz wäre, in der Jungsabteilung nach bequemer Kleidung zu suchen. Aber auch das ist nicht immer eine ideale Lösung. Zwar bieten die lockeren Schnitte mehr Bewegungsfreiheit, aber viele Mädchen wollen sich nicht in „Jungskleidung“ zwängen. „Das ist eine Hose für Jungs“ oder „Dinos? Das zieh ich nicht an“, hört man oft im Kitaalter. Und das ist verständlich. Schließlich wollen die Mädchen dazugehören und sich mit ihren Freundinnen identifizieren. Aber warum müssen sie dafür unbequeme Kleidung tragen?

Damit sich etwas ändert, müssen alle mitmachen: Kinderkleidermarken, Geschäfte und wir Eltern. Die Marken müssen das strikte Genderkorsett lockern und Kleidung anbieten, die sowohl bequem als auch modisch ist – für alle Kinder. Die Geschäfte müssen ihre Sortimente diversifizieren und nicht nur Rosa und Glitzer für Mädchen anbieten. Und wir Eltern müssen unseren Töchtern zeigen, dass es in Ordnung ist, anders zu sein und das zu tragen, worin sie sich wohlfühlen.

Es gibt bereits einige kleine und/oder exklusive Labels wie Manitober, Bobo Choses, The Animal Observatory, Orbascis oder Tinycottons, die genderneutrale Kinderkleidung anbieten. Diese Marken setzen auf farbenfrohe Designs, bequeme Schnitte und Motive, die für alle Kinder geeignet sind. Allerdings haben diese hochwertigen und oft in Bioqualität gefertigten Kleidungsstücke ihren Preis. Während man im Fast-Fashion-Bereich einen Kinderpulli schon für unter 10 Euro bekommt, muss man für die genderneutralen Alternativen oft mehrere 10-Euro-Scheine hinlegen. Das ist ein Dilemma, denn nicht alle Eltern können sich diese teure Kleidung leisten.

Das Dilemma und die Lösung

Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu geben: Je günstiger die Mädchenklamotte, desto mehr „Princess-Cutie-Babygirl“-Sprüche, desto pinker und enger. Vielleicht wird am Stoff gespart, um Pailletten draufzunähen. Aber Spaß beiseite: Kinderkleidung sollte in erster Linie bequem sein und Bewegungsfreiheit ermöglichen. Sie sollte die Fantasie anregen und die Persönlichkeit des Kindes unterstreichen – unabhängig vom Geschlecht.

Also, was können wir tun? Wir können bewusst einkaufen und nach Marken suchen, die genderneutrale oder zumindest bequeme und funktionelle Mädchenkleidung anbieten. Wir können unseren Töchtern zeigen, dass es in Ordnung ist, auch mal in der Jungsabteilung zu stöbern. Wir können sie ermutigen, ihren eigenen Stil zu entwickeln und sich nicht von Stereotypen beeinflussen zu lassen. Und wir können uns für eine größere Vielfalt und mehr Bewegungsfreiheit in der Kindermode einsetzen.

Fazit: Mehr Freiheit für kleine Weltentdeckerinnen

Die Debatte um Mädchenkleidung mag auf den ersten Blick banal erscheinen, aber sie berührt einen wichtigen Punkt: die Freiheit unserer Kinder, sich selbst zu entfalten und die Welt unbeschwert zu entdecken. Es ist an der Zeit, das enge Korsett der Geschlechterstereotypen in der Kindermode zu lockern und unseren Töchtern die Möglichkeit zu geben, Kleidung zu tragen, in der sie sich wohlfühlen und die ihre Persönlichkeit widerspiegelt. Ob Glitzer und gemütlich oder Outdoorhose und enge Jeans – Hauptsache, die Kleidung engt nicht ein und ermöglicht es den Mädchen, ihre Welt zu erkunden. Als Eltern haben wir die Aufgabe, zwischen Croptops und Beweg-dich-bloß-nicht-Kleidchen die bequemste Entscheidung für und mit unseren Kindern zu treffen. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass Mädchen in ihrer Kleidung Platz zum Wachsen haben – im wahrsten Sinne des Wortes.

QUELLEN

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